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Kultur: Warmgetönte Spielweise

Im Raffaelsaal: Stabat mater-Vertonungen

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Um den Tod eines einem Nahestehenden zu trauern, ist immer eine sehr persönliche Angelegenheit. „Cuius animam gementem “ (Durch die Seele voller Trauer, seufzend unter Todesschauern, jetzt das Schwert des Leidens ging) heißt es dazu in einem lateinischen Gedicht, das die Empfindungen von Maria, Mutter des ans Kreuz geschlagenen Herrn, mitfühlend beschreibt.

Als Stabat mater ist es vielfach vertont worden, zumeist zu liturgischem Gebrauch. Giovanni Battista Pergolesi (1710-1736) und Luigi Boccherini (1742-1805) schrieben es stattdessen im Stile einer persönlichen, stillen Andachtsmusik. Beider Komponisten Marienklagen in einem Musikfestspiele-Konzert im Raffaelsaal der Orangerie Sanssouci direkt gegenüber zu stellen, war daher sehr reizvoll.

Zumal mit „elbipolis barockorchester hamburg“ ein Ensemble zur Verfügung stand, das in seiner Leidenschaft für historisierendes Musizieren den goldenen (Klang-)Mittelweg bevorzugte. In seiner warmgetönten, temposoliden Spielweise schienen es sich eher am Klang von Musica Antiqua Köln zu orientieren als etwa am Draufgängertum einer die Zuspitzungen liebenden Accademia Bizantina. Lebendig ging es bei den Hamburger Spezialisten zu, ohne akademische Tüfteleien, mit geradezu spannend ausgehorchten Affekten. Hier wie dort herrschte ein getragener Duktus vor, der in Pergolesis Vertonung immer wieder Abwechslung durch tänzerisch beschwingte bis freudig erregte Abschnitte erfuhr.

Sowohl Yeree Suh (Sopran) als auch Mezzosopranistin Ruth Sandhoff zeigten sich den Anforderungen barocken Ziergesangs vorzüglich gewappnet. Wobei letztere mit ihrer Verinnerlichung, ausdrucksvollen Tiefe und unaufdringlichen Gestaltungsintensität zu begeistern verstand. Daran schien es der Sopranistin mit ihrer technisch perfekten, instrumental geführte Stimme zunächst ein wenig zu mangeln. Im Duett „Inflammatus et accensus“ fand sie jedoch zu lebendigem Mittun.

In Boccherinis Lesart des Stabat mater hatte allein sie das Singen und Sagen. Dabei gelang es ihr zunehmend eindringlicher, Wort und Musik zu ergründen. Vielleicht lagen ihr die opernnahen, große Ausbrüche nicht scheuenden, Freude und pastorale Betrachtungen höchst diffizil beschreibende Abschnitten besonders?! Das Ergebnis: eine aufblühende Stimme in mühelos strahlenden Höhenregistern. Auffällig (und natürlich kein Wunder) die tonsetzerische Bevorzugung des Violoncelloparts (Inka Döring) durch Boccherini. An der Truhenorgel bewies Jörg Jacobi bestes Continuo-Stilgefühl.

Heftiger Applaus dankte der frappanten mediterranen Passionssicht. Peter Buske

Peter Buske

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