Kultur: Warum historisch?
Heike B. Görtemaker sprach über Eva Braun
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Es fehlten die üblichen Legenden und Anekdoten, die sonst den Namen Eva Braun umkreisen. Das Bild einer armen Irregeleiteten oder die altbekannte Flut von Filmaufnahmen, die eine stets vergnügte junge Frau, oft im Badeanzug turnend zeigen. Nein. Als die Historikerin Heike B. Görtemaker am Sonntag vor gut 50 Zuhörern in der Villa Quandt über Eva Braun zu reden beginnt, liegt ihr wenig daran, die Mythen fortzuschreiben.
Mit dem Anspruch, Eva Braun aus der historischen Bedeutungslosigkeit herauszulösen, hat Görtemaker die erste wissenschaftliche Biografie Eva Brauns verfasst, und das trotz überaus dürftiger Quellenlage. Daraus macht sie ebenso wenig ein Geheimnis wie aus ihrem Ärger über die Sorglosigkeit renommierter Hitlerforscher wie Joachim Fest oder Ian Kershaw. Es sei kein Wunder, dass das Paar Eva Braun und Adolf Hitler in deren Werken beinahe wie „die Schöne und das Biest“ dargestellt würden, wenn sich so kritiklos auf die doch offensichtlich verlogene Erinnerungsliteratur Albert Speers oder des Hitler-Leibfotografen Heinrich Hoffmann bezogen wird.
Oftmals Gegenteiliges finde man wiederum in den gleich nach Kriegsende angelegten Spruchkammerakten dieser NS-Prominenten und einigen privaten Briefen. Das ist Görtemakers Ansatz, die in ihrer Biografie recht ausführlich das Milieu des Obersalzbergs, den „Hofstaat“ beschreibt. Eva Braun habe darin als Hitlervertraute ab 1936 eine zentrale, unangreifbare und gefürchtete Rolle gespielt und mit ihren etlichen privaten Filmaufnahmen an der „Führerfigur“ gestrickt, so die These der Autorin, die zudem davon überzeugt ist, dass gänzlich alle sich in diesem Dunstkreis bewegenden Frauen über den Holocaust oder Hitlers Angriffspläne Bescheid gewusst haben müssen. Zwar kann der Potsdamer Publizist Alexander Gauland die von ihrem Forschungsgegenstand sichtlich angetane Historikerin in ihrer Rede kaum bremsen, doch hakt er hier und da nach. Denn leicht fällt es nicht, sich den Einfluss einer zur historischen Person aufgewerteten Eva Braun etwa auf Hitlers politische Entscheidungen vorzustellen.
Doch so weit will Görtemaker gar nicht gehen, außerdem fehlen natürlich die Quellen. Abseits der notwendigen Spekulationen liegt es mehr als nah, dass die jahrelange Geliebte Hitlers auch dessen Antisemitismus geteilt haben muss und mithin auch eine Mitschuldige am Völkermord gewesen ist, so Görtemaker. Entscheidend sei aber mehr ihre private, bislang unterschätzte Rolle als Frau an der Seite Hitlers, zumal sie dessen im Kriegsverlauf wachsende Starrheit und Paranoia bewusst unterstützt und sich nachweislich bereits im Oktober 1944 auf den gemeinsamen Freitod vorbereitet hat. Zweifelhaft nur bleibt ihr historisches Gewicht.
Was Hitler an Eva Braun fand, wird aus dem Publikum gefragt. Was mag sie wohl an ihm gefunden haben?, fragt Heike Görtemaker scherzhaft zurück. Hitler, der in die Treuherzigkeit seiner Mätresse vernarrt war, sich jedoch vor den Rechtsansprüchen einer etwaigen Ehefrau fürchtete, war für die NS-Propaganda ohnehin „nur mit Deutschland verheiratet“. Davon war nichts mehr übrig, als er Eva Braun sein Jawort gab. Daniel Flügel
Daniel Flügel
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