Kultur: Warum ist der November regenverhangen?
Isabel Neuenfeldt im Spartacus auf der Suche nach Tom Waits
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Isabel Neuenfeldt im Spartacus auf der Suche nach Tom Waits Die fünf Briten der Tindersticks haben es getan. Die Violent Femmes und 10000 Maniacs ebenfalls. Die Kanadierin Holly Cole hat gleich ein ganzes Album herausgebracht. Und wenn man es wollte, so könnte man diese Liste fast endlos fortführen. Denn so viele schon haben Lieder von Tom Waits gecovert.Isabel Neuenfeldt aus Berlin hat es auch getan. Am Samstag im Spartacus in der monatlichen Reihe „Variation ist Programm“. „November“ hat sie ihre Hommage an den kauzigen Musiker Waits genannt. Und da dieser Monat kaum für ein fröhlich-strahlendes Gemüt taugt, war klar, dass dieser Abend ein trauriger werden sollte. Es wurde ein tieftrauriger Abend. Wer schon mit hängenden Schultern kam, dem müssen sie nach den gut anderthalb Stunden beim Heimweg auf dem Boden geschliffen haben. Denn Isabel Neuenfeldt ersoff ihren Waits in Moll. Niemand wird behaupten, dass Waits ein Gute-Laune-Prophet ist. Seinen vertrackten und verkaterten Liedern liegt eine gewisse Schwermut zugrunde. Doch Waits bricht sie immer wieder auf. Mit Ironie und vor allem mit seiner Stimme, die oft an ein suffgetränktes Gegröle erinnert, mit der er aber all die kaputten Stunden, kaputten Tage, die verkrachten Typen und gescheiterten Beziehungen, die in seinem musikalischen Panoptikum hausen, mit einer schwer zu überbietenden Lebendigkeit erfüllt. Isabel Neuenfeldt gelang dies kaum. Die Sängerin schien den Liedern nicht zu vertrauen. So gestaltete sie den Abend als eine persönliche Reise durch eine verregnete Berliner Nacht im November, in der sie sich auf die Suche nach ihrem Idol macht. Nach jedem Lied erzählt sie dann von einsamen, nebelverhangenen Straßen, von Abrisshäusern und, natürlich, vom Regen der beständig fiel. Das alles war so klischeehaft und sinnentleert, da versuchte sie sich der oft nachtschwarzen Geschichtenwelt von Waits anzunähern und hätte doch wissen müssen, dass man damit nur scheitern kann. Vielleicht hätte sie mit den Liedern mehr erreichen können. Doch hier beließ sie es bei der schmerzbeladenen Ballade und konnte so kaum Spannung erzeugen. Sich am Akkordeon begleitend und von Michael Korn an der Tuba und Posaune unterstützt, gelang es ihr zwar die sehnsüchtige Schiffskneipenatmosphäre vieler Waitssongs anzudeuten, doch da sie sich ständig nur auf diesem seichten Kummerlevel bewegte, wirkte das alles unentschlossen. Ihrer Stimme fehlte die nötige Kraft und kletterte sie in die Höhen, tat es den Ohren oft weh. Isabel Neuenfeldt schien unsicher auf der Bühne und wagte nichts. So gaben sich „Rain Dogs“, „Time“ und die anderen Lieder an diesem Abend als schwache Gesellen, nett aber kraftlos. Manchmal jedoch gelang es ihr, etwas Stimmung zu erzeugen. Doch wenn man sich gerade darauf einlassen wollte, wurde man schon wieder unsanft daran gehindert. Denn nach den ersten vier Liedern gab es die erste Pause, nach den nächsten vier die nächste und dann war auch schon fast Schluss. So streckten Isabel Neuenfeldt und Michael Korn zwar den Abend auf gute 90 Minuten, doch kam die geplante Novemberreise mit Tom Waits Liedern nie richtig von der Stelle. Am Ende gab es reichlich Applaus , der zwischen den Liedern immer etwas zurückhaltend geblieben war. Dirk Becker
Dirk Becker
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