Kultur: Was die Musik im Inneren zusammenhält
„Die verhexte Musik“ des Potsdamer Komponisten Gisbert Näther ist auf einer CD erschienen
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Wenn in Klanghausen die Sonne aufgeht und durch die Telegraphendrähte Schatten wie Notenlinien auf die Straße wirft, dann beginnen die Vögel zu jubilieren wie tausend Flöten. Der Hund bellt im Sechsachteltakt und der Wind summt durch die Bäume, als musiziere er auf einer Harfe. So spielt das Leben in Klanghausen am Liedbach im Land der Töne, dem Schau- und vor allem Hörplatz des musikalischen Märchens „Die verhexte Musik“, das jüngst vom Deutschen Filmorchester Babelsberg auf CD eingespielt wurde.
Komponist Gisbert Näther und Texter Karl-Hans Möller erzählen darin von der Welt der Musik, von den Tonleitern, Rhythmen und Akkorden, vom molligen Moll und dem fröhlichen Dur, vom lautstarken Forte und dem leisesten Pianissimo. Das klingt sehr didaktisch, ist es aber nicht. Hineinkomponiert in eine kurzweilige Geschichte, bekommen kleine, aber auch größere Zuhörer ganz unaufdringlich vermittelt, was die Musik im Inneren zusammenhält.
Das Märchen beginnt genau 999 Jahre und 364 Tage nach der ersten Erwähnung der Stadt Klanghausen, am Vorabend also des großen Jubiläums. Der Bürgermeister probt seine Festrede, das Orchester den Jubelmarsch und der Chor einen Kanon. In der Nacht aber – klanglich symbolisiert durch ein zauberisches Nocturne – rauschen die drei musikalischen Hexen Takta Bum, Melodia Tralala und Terzia Quintana auf ihren Besen heran. Die Klanghausener hatten in aller Aufregung doch tatsächlich vergessen, die drei Musik besessenen Damen zu ihrer Tausendjahrfeier einzuladen. Ein folgenschweres Versäumnis. Spätestens seit Dornröschen hätte man wissen müssen, dass ignorierte Märchengestalten ziemlich empfindlich reagieren können. Als das Orchester am Festmorgen zum Marsch aufspielt, kommt es zur Katastrophe. Mit einem Donnerschlag raubt Takta Bum der Musik den Rhythmus. Dann erscheint die heulende Melodia Tralala und nimmt dem übrig gebliebenen Klangbrei auch noch die Melodie. Als Terzia Quintana dreistimmig lachend die so allein ohnehin langweilig klingenden Akkorde stiehlt, wird es sehr still. So still, dass sich die Klanghausener die Ohren zuhalten müssen. Ein Leben ohne Musik? Undenkbar.
Das ist das Besondere an dieser für Kinder geschriebenen Geschichte: hören und fühlen zu können, was Melodie und Rhythmus in uns auslösen, wie die leisen Klänge uns beruhigen, laute Töne uns aufrütteln, ein Marsch uns fröhlich stimmt und ein Walzer beschwingt macht. Und sie lässt spüren, wie trostlos die Welt ohne Musik wäre.
Das Märchen, das mit einer wunderbar wandelbaren, alle musikalischen Nuancen aufnehmenden Stimme von Schauspieler Götz Schubert gesprochen, getönt, gesäuselt und gesungen wird, nimmt natürlich ein gutes Ende.
Violinus, der Geiger, Pauki, der Schlagzeuger und Harfonika, die Harfenistin, erwecken die Musik mit einem Papierknistermarsch zu neuem Leben. Die Zuhörer werden eingeladen, selbst ein Blatt Papier in beide Hände zu nehmen und entgegengesetzt auf und ab zu bewegen. Ganz nebenbei erfahren sie auf diese Weise, dass Musik manchmal auch etwas mit Geräusch zu tun haben kann.
Antje Horn-Conrad
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