Kultur: Was für ein Mannsbild!
Rummelsnuff schunkelt sich durchs Waschhaus
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Es gibt Auftritte, die dürfen im Kuriositätenkabinett eines überzeugten Konzertgängers nicht fehlen. Die Skandalnudel Peaches kann dazu gezählt werden, auch die lustige Maskenparade namens Slipknot oder das bunte, geschlechtsneutrale Fabelwesen Marilyn Manson. Doch die Bühnenspektakel dieser Herrschaften haben durch ihre Erfolgsquote schon starken Mainstreamcharakter mit hoher Erwartbarkeit angenommen. Da kommt einer wie Rummelsnuff gerade recht. Denn dieser Mann mit seiner Musik und Bühnenshow lässt einen tatsächlich noch mit offenem Mund dastehen und staunen.
Nicht einmal 20 Gäste waren am Donnerstag ins Waschhaus gekommen, um den herrlich bizarren Auftritt des Sängers Rummelsnuff und seiner beiden Gastmusiker zu erleben. Obwohl die knapp 40-minütige, mit gnadenlosem Technobeats untermauerte Gassenhauer-Show doch höchsten Unterhaltungswert hat. Allein schon wie der 41-jährige Roger Baptist, alias Rummelsnuff, in Feinrippunterhemd und Schieber- oder Kapitänsmütze über die Bühne schunkelt und seinen muskelüberhäuften Körper präsentiert, hat etwas von diesen Kuriositätenkabinetten, wie sie vor langen Zeiten auf Jahrmärkten beliebt gewesen sein sollen.
Die Botschaften, die dieses prachtvolle Mannsbild mit seinem Reibeisenorgan unter das geneigte Konzertpublikum zu bringen pflegt, sind äußerst simpel und gelegentlich auch sinnfrei. Ob „Von Hammerfest bis Sansibar/Sonnenschein das ganze Jahr“ aus „Hammerfest“ oder „Du ein Mann/ich ein Mann/beiden juckt das Fell“ aus „Ringen“, einfache Sachverhalte werden als solche auch besungen. Das versteht auch der, den die simple, an Rammstein und den Elektro-Punkern DAF orientierte Rummpelmusik mit der Zeit das Hirn weich gestampft hat. Ob Lobeshymnen auf die Seefahrt oder den Bergmann, Durchhalteparolen oder Huldigungen des Hochprozentigen, Rummelsnuff grölt sich in bester Arbeiter- und Kampfliedermanier den Frust und die Erinnerungen von der zarten Seele. Das sein martialisches Auftreten, seine Vorliebe für die Worte „Kampf“ und „Körper“, das gelegentlich Gewalttätige in seinen Texten und die Videos in Leni-Riefenstahl-Tradition allzu schnell den Das-ist-doch-ein-Rechter-Reflex auslösen, stört den Herrn Rummelsnuff wenig, weil er fern von solcher dumpf-politischer Position steht. Da reicht es schon, sein von homoerotischen Anspielungen nur so strotzendes „Ringen“ zu hören.
Rummelsnuffs Lieder sind wie ein langer Arbeitstag: hart, stupide und schweißtreibend. Wie ernst oder wie ironisch er es mit seiner „Neuen Berliner Stromrock“, verrät er weder mit einer Geste oder einem ironischen Gesichtsausdruck. Der Muskelmann will Spaß haben. Da waren wir doch gern dabei. Dirk Becker
Dirk Becker
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