Kultur: Was für ein Ton!
Rachel Podger im Jaspissaal
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Keine Worte. Die brauchte es jetzt nicht, obwohl sich ausgiebig über diese Sonaten und Partiten und ihren Komponisten reden ließe. Doch Rachel Podger verzichtete darauf. Sie betrat unter Applaus den Jaspissaal in den Neuen Kammern Sanssouci und ging zum Notenpult. Ein kurzes Nachstimmen ihrer Pesarinius aus dem Jahr 1739, ein Moment der Konzentration, der reichte, um die Spannung im Raum fast körperlich spürbar zu machen, und schon erklangen die ersten Töne über d-moll der „Allemanda“.
Johann Sebastian Bachs Partita in d-moll mit der berühmten „Ciaccona“ stand am Ende von Rachel Podgers Solokonzertes am Dienstag im Rahmen der Musikfestspiele. Hatte sie im ersten Teil noch im herzlichen Plauderton über Pisendel, Westhoff und Biber gesprochen, dabei auch die Sonaten und Partiten für Violine Solo von Bach erwähnt, ließ sie nun allein die Musik sprechen. Und wie sie das tat!
Forsch und beherzt die „Allemanda“, kein verklärendes Zelebrieren einzelner Töne, um diesem Meisterwerk und ihrem Schöpfer mit jeder Geste huldigen zu wollen. Selbstbewusst machte sich Rachel Podger hier an den Gipfelsturm und spielte Bach, der natürlich wieder aufs Neue begeisterte und faszinierte, gleichzeitig aber auch überraschte. Mit einem Selbstverständnis, das einem immer wieder ein respektvolles Kopfschütteln abnötigte, durchmaß sie „Allemanda“ und „Courante“, um dann die „Sarabande“ singen und tanzen zu lassen. Und wie schon bei Pisendels Sonate in a-moll, der Partita A-Dur von Westhoff und der Passacaglia in d-moll von Biber war es hier die Präsenz und Klarheit ihres Tons, mit dem Rachel Podger an diesem Abend förmlich zu zaubern schien.
Singend in den Höhen, ohne sich allzu schmeichelhaft zu geben, blieb da immer ein rauer Charme, der hier die klangliche Grundierung lieferte für Pisendels ideenstrotzende, so herrliche Kraftmeierei, für Westhoffs melodiös-gefälligen Doppelgriffexzess und Bibers religiöse Versenkung. Ein Ton, dessen Modellierung bis in die Feinheiten mitzuerleben war und so die Musik unter Rachel Podgers Händen nicht allein zu einem akustischen Erlebnis werden ließ. Oft genug schien es, als würde dieser Ton ständig die räumlichen Möglichkeiten im Jaspissaal durchmessen und für sich neu definieren. Ein Ton, der in Bachs Partita in d-moll dann zu seiner höchsten Entfaltung fand.
Rachel Podgers Interpretation war dabei nicht allein auf die „Ciaccona“ ausgerichtet als Höhe- und Gipfelpunkt dieser Partita. Jeder einzelne Satz wurde zu einem kleinen Meisterwerk. Allein mit der „Giga“ wollte sie einen scheinbar schon vom Stuhl spielen. Dass dann doch die „Ciaccona“ herausragte – aber immer nur als „prima inter pares“ – war dann allein der Komposition geschuldet, diesem knapp 15-minütigen Variationenmeisterwerk. Momente reinen Glücks, bei denen man sich immer wieder wünschte, dass doch endlich jetzt einmal die Zeit stehen bleiben könnte. Dirk Becker
Dirk Becker
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