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Kultur: „Was hast du verwirket“

Vierte „Dornenzeit“ in der Friedenskirche

Stand:

Frühling, Niesel, Dornenzeit. Am Sonnabend setzte die Friedensgemeinde ihre öffentliche Vorbereitung auf die Passion Christi mit einer fast hermetisch wirkenden Andacht fort, der vierten in Folge. Sie alle stehen nicht abseits der Liturgie, aber es gehört zu den Sonderheiten, dass jeweils der Sprecher das Wort, der Interpret auch die Noten auswählt.

Auch dieses Mal war die Nähe von Tradition und „Moderne" ausdrücklich erwünscht, Bach stand neben Schönberg, der Prophet Jesaja neben zeitgenössischen Reflexionen. Matthias Trommer eröffnete mit der selbstnotierten Orgelfantasie „Wir glauben Gott", eine zwischen zwei kräftigen Ecksätzen eingebettete sanfte, ja liebevolle Meditation, wobei das musikalische Leitmotiv einen starken, mächtigen Gott anzudeuten schien. Mit einem gut modulierenden, aber nicht immer textverständlichen Sopran prägte Uta Meyer wunderbar wesentliche Teile dieser „Dornenzeit“, schade, dass ausgerechnet „Die Welt hält über Gott Gericht“ von Lothar Graap (geb. 1933) etwas verhallte.

Klaus Büstrin las mit beeindruckender Souveränität aus dem 42. Kapitel Jesajas, darin es um Recht und Gerechtigkeit geht und um die Verkündigung von Neuem: Ein guter Brückenschlag zu Rede und Gegenrede zwischen Jesus und Pilatus, endend mit dem geflügelten Satz, was Wahrheit denn sei.

Dann bekundete die Sopranistin zu sanfter Orgelbegleitung Andreas Muntschicks „Kündlich groß ist das gottselige Geheimnis“, ein Zeitgenosse von Graap, welcher später mit zwar atonalen, aber trotzdem ganz erstaunlichen „Seligpreisungen“ noch einmal zu Gehör kam. Auf der „klassischen“ Seite Heinrich Schütz mit dem Geistlichen Konzert „Was hast du verwirket", darin gleich Jesaja noch einmal die Bezeugung der Wahrheit durch Jesus betont wurde, dann Bachs Einladung „Komm in mein Herzenshaus“ (BWV 80a) und zum Finale das wunderbare Orgelstück „Kleines harmonisches Labyrinth“ (BWV 591) in drei Sätzen, eine Perle zum Meditieren.

Als Zentrum der Andacht darf die äußerst feinfühlige und ausdrucksstarke Interpretation von vier Stücken aus Arnold Schönbergs („Emanzipator der Dissonanz") Opus 19 für Orgel angesehen werden, wozu Klaus Büstrin alternierend vier Gedichte von Regine Rüss stellte – Meditatives vom Feinsten, etwa „Der Aufschrei" oder „Tränen“. Vor Graaps „Seligpreisungen“ hörte man, wie Jörg Zink die nach Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden in seiner eigenen Theologie interpretierte.

Vielfältig, anregend, wiederum traurig, diesmal aber von optimistischer Art, dazu mit einem Segen für alle – ein Chapeau dieser Stunde! Gerold Paul

Nächste „Dornenzeit“ am 1. April , 17 Uhr

Gerold Paul

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