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Kulturmarathon, bis die Sohlen qualmen: Zu erleben gab es Bildergeschichten mit dem Kindertanztheater Berlin-Brandenburg, Bach und Haydn mit Pianist Arvis Kleinschmidt oder Einfach Klassik mit Flöte und weiteren Bläsern. Dazwischen sorgten grazile Schönheiten aus Sandstein für besondere Reize.

© Manfred und Ben Thomas

Von Gerold Paul: „Was will nur all das Pack hier!!“

Schönbunte Zeit unterm Rokokoschirm: Bratwurst mit Vivaldi bei der 12. Potsdamer Schlössernacht

Stand:

Mal ganz ehrlich, jeder anständige Bürger träumt doch davon, einmal im Leben wie ein König zu sein. Die „Schlössernacht“ kommt ihm da freundlichst entgegen. Das Schöne daran: Er darf dabei sogar Bürger bleiben, garantiert.

Er soll und darf sich an den Illusionen freuen, die ihm da aufgetischt werden, wandelnde Komparsen im Barock-Look, dass der Schweiß aus der Perücke tropft, Kindermärchen über den lieben kleinen Kronprinzen vor der Bildergalerie, Konzerte unter Bratwurst-Dünsten, wirklich königlich!

Am Sonnabend war die zwölfte Potsdamer Schlössernacht, sie soll genau so schön gewesen sein wie die vorigen, diesmal bei heißem Sommerwetter und dem Fast-Vollmond oben. Bevor die Nacht den Tag brach, war der erste Eindruck eher schlecht. Die schwarzweißen Wächter, die überall herumstanden und ob ihrer Über-Präsenz auch überall störten, waren offenbar mehr auf Dienstgehorsam als auf Freundlichkeit getrimmt. Was für unerbittliche Gesichter am Teehaus-Einlass, wie im Knast!

Beim Flanieren fiel dann immer mehr auf, dass diese blutjungen Leute auf Fragen der fremdem Besucher keine Antwort wussten, Potsdam geht hier schon lange nicht mehr hin – von wegen „Nacht der Nächte“! Wo webten nun die Feen im Nordischen Garten, wo ist nur die „Wachtreppe“? Nur einer wusste es, danke.

Dort hatte man eine Art Karnickelbuchte für den jungen Pianisten Arvid Kleinschmidt aufgebaut, fünfmal am Abend sollte der Ärmste im Smog von Würstchendünsten Händel, Bach, Haydn und Mozart spielen, während vor ihm eine imposante Biergarten-Szene erstand, á la Mikro-Wiesn. Die ganze Rückseite von Friedrichs opulenter Gartenlaube war ja zur gastronomischen Zeltstadt mutiert, Fortsetzung Richtung Historische Mühle, wo man fünfzig Meter Schlange stand, um einen Blick von oben aufs illuminierte Festgelände zu bekommen. Auch hier warben etliche Stände für den unersättlichen Hunger. Mittendrin gab es das Kabarett-Märchen vom König und seinem Müller.

Genau am Straßenknick trennte eine Schleuse die Freiheit der Stadt von Disneyland Sanssouci. Da stand ein Pärchen Blaublut. Er rief hinüber „Was will nur all das Pack hier!“ Aus seiner Sicht war das verständlich, was zu viel ist, das ist wirklich zu viel.

Musik gab es auch, gediegene Klassik im Ehrenhof, vor der Orangerie Vivaldi, doch selbst hier hatte nicht nur das Concerto Brandenburg mit dem Geist der Wiesn zu kämpfen. Gediegener war es bei den Römischen Bädern und zu Charlottenhof. Angesichts der Weißbuden-Kleinstadt rund um das Neue Palais bekam man Beklemmungen, ist da nicht eine Flut in Pakistan, massenhaft Elend? Auch vom Feuerwerk hätte man wegnehmen können, zugunsten der Not.

Ohne weitere Höhepunkte des nicht vollmondigen Abends zu bemühen, schien diese Jubiläumsveranstaltung für dreiunddreißigtausend unschuldig-romantische Menschen vieler Zungen ein wenig grob konzipiert. Das heimliche Konzept der Veranstalter, wozu auch die dezent als Zelt getarnten WC’s unter Bäumen gehörten, war klar: „Jedem das Seine!“ oder „Jedem nach seiner Fasson“!

Und so fand man Orte gemeinster Geselligkeit, auch solche der veredelten Art, für Genießer. An der Bildergalerie bemühte sich das „Kinder/TanzTheater Berlin-Brandenburg“ in barocken Kinderkostümen, den Kronprinzen, seine Zeit und Umstände in ein möglichst günstiges Licht zu setzen, der „rbb“ warb an der Großen Fontäne mit flotten Sprüchen um und für sich, wenig Beachtung fanden die Weg-Musikanten, hier wurde auch mal etwas anderes als immer nur „Klassik kostenlos“ gespielt, in den Büschen sozusagen.

Ganz toll die Inszenierung lebender Figuren auf der Hauptallee, nur stellte sich während der Vorstellung so ein Depp zwischen Sie und Ihn, für ein Foto.

Viel Farbe, viel Kostüm und Maske, Musik, das Volk inmitten, wie gesagt, gut bewacht, so ist die Zwölfte ein Treffpunkt für wirklich alle Klischees geworden. Nichts, was den Geist hätte wachrütteln können. Die Botschaft an das zahlende „Pack“: Es war eine heile und schönbunte Zeit unterm Rokokoschirm von König Riesengroß! Nur regierte er diesen Abend hier gar nicht, sondern der Bürger Kommerz. Und so ist es eben ein ganz märchenhaft-schönes Volksfest geworden.

Gerold Paul

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