Kultur: Wechselspiel von Orient und Okzident Wissenschafts-Akademie führt Einstein-Tag ein
Ein ungewöhnliches Bild bot sich den Besuchern des Nikolaisaales am vergangenen Freitag. Über der Bühne leuchtete eine große Projektion von Albert Einstein.
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Ein ungewöhnliches Bild bot sich den Besuchern des Nikolaisaales am vergangenen Freitag. Über der Bühne leuchtete eine große Projektion von Albert Einstein. In der Hand hielt der Physiker das Programm des ersten Einsteintages. Der Einsteintag wird von nun an einmal im Jahr das neue Forum der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Potsdam sein. Die Akademie möchte nicht nur mit ihren Editionsprojekten am Neuen Markt, sondern auch mit diesem festlichen Abend mehr Präsenz in der Landeshauptstadt zeigen. Die Anwesenheit von Ministerpräsident Matthias Platzeck, Akademiepräsident Günter Stock und des diesjährigen Friedenspreisträgers Wolf Lepenies unterstrich die Bedeutung des Abends. Die Veranstaltung sei ein Beleg für das Bemühen von Politik und Wissenschaft, den Menschen unterschiedliche Weltanschauungen aufzuzeigen, sagte Matthias Platzeck vor dem ausverkauften Saal.
Weltanschauung und Religion waren dann auch die beiden gemeinsamen Nenner des Abends, bei dem sich Vorträge und Klaviermusik abwechselten. Wolf Lepenies stellte das neue Jahresthema der Akademie vor, das „Europa im Nahen Osten – Der Nahe Osten in Europa“ lautet. Im Rahmen dieses Themas werde am Neuen Markt in Potsdam das Projekt „Corpus Coranicum“ etabliert, hatte Matthias Platzeck bereits angekündigt. Frühe Zeugnisse der Koranüberlieferung sollen dabei zugänglich gemacht werden. Dies sei besonders in dem heutigen politischen Klima eine wichtige Aufgabe, so Platzeck.
Wolf Lepenies beleuchtete dieses politische Klima aus einer wissenschaftskritischen Perspektive. So setzte er einen Kontrast zu den zahlreichen Einstein-Zitaten, die an diesem Abend fielen. Das Staunen über den wissenschaftlichen Fortschritt in Europa sei orientalischen Gesellschaften oft unterstellt worden, so Lepenies. Dabei sei bewusst ein Gegensatz zwischen europäischer Moderne und Islam etabliert worden. „Überhebliches Wohlwollen“ habe über lange Zeit die Haltung westlicher Literaten und Wissenschaftler gegenüber islamischen Gesellschaften geprägt. Doch das „Triumphgefühl der europäischen Moderne“ sei verfrüht gewesen, warnte Lepenies. Heute müsse man die europäische Moderne als Problem und den Islam als Herausforderung sehen, sagte Lepenies den PNN am Rande der Veranstaltung. Heute dürfe man nicht mehr so tun, als seien Islam und Moderne zwei entgegengesetzte Phänomene. Die Forschungsprojekte zum Islam, die teils ihren Ursprung im Berliner Wissenschaftskolleg genommen haben, sollten vielmehr die gegenseitige Durchdringung von Moderne und Islam beleuchten, so Lepenies.
Das Zusammenspiel von Orient und Okzident erlebten die Zuhörer in den Klavierintermezzi von Aylin Aykan. Sie spielte türkische Weisen am Flügel. Die Wirkung war ein Wechselspiel aus Bekanntem und Fremdem. Während Musiker aus dem osmanischen Reich einen starken Einfluss auf Mozart und Beethoven ausgeübt haben, wurde im 19. Jahrhundert die italienische Musik in der Türkei schick, erläuterte Aykan in den Pausen. Virtuos zeigte sie diese west-östlichen Spiegelungen in Stücken des Türken Ismail Dede Efendi.
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