Kultur: Weibliche Orte in Potsdam
Frauenkulturtage begannen mit einer Stadtführung
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Frauenkulturtage begannen mit einer Stadtführung Viele neugierige Frauen fanden sich im Frauenzentrum Potsdam ein, um der Eröffnung der siebten Frauenkulturtage beizuwohnen. Angekündigt war eine umfangreiche Stadtführung, bei der der Anteil von Frauen am Werden und Sein der Stadt verdeutlicht werden sollte. Dass die Historikerin erkrankt war, wurde dem erwartungsvollen Publikum nur zögernd mitgeteilt, war man doch bemüht, die Enttäuschung aufzufangen. Auch hatten sich Eva Wieczorek und Sabine Kröner des Fördervereins für das Autonome Frauenzentrum, der den Auftakt organisierte, kurzerhand bereit erklärt, einen Spaziergang zu den ihnen wichtigen weiblichen Orten der Stadt anzuleiten. Die Intention hatte sich damit etwas geändert. Nicht die Orte, an denen das Einwirken von Frauen auf die Entwicklung der Stadt deutlich wird, standen im Vordergrund, sondern Plätze, die die beiden Frauen für sich als „Kraftorte“ definieren. So war der Anfang auch nicht einer realen Frau gewidmet, sondern der allegorisierten Natur, zu finden in Gestalt der Göttin Flora im Marlygarten an der Friedenskirche. Das von Peter Joseph Lenné als Paradiesgarten angelegte Areal ist für Eva Wieczorek ein wichtiger Ort der Kontemplation. Mit dem Verweis auf Elisabeth, die Gattin von Friedrich Wilhelm IV., die maßgeblich die Ausgestaltung des Gartens mitbestimmte, war der Einstieg in die Preußische Geschichte gegeben, die im Folgenden als Leitfaden durch den Park führte. Sabine Kröner lud am Freundschaftstempel ein, die Weite der Aussicht zu genießen, ganz so wie die in Marmor gehauene Wilhelmine, die Lieblingsschwester Friedrichs II., der dieses Bauwerk gewidmet ist. In wenigen Stichworten umriss Sabine Kröner die Persönlichkeit der 1709 geborenen ersten Tochter des Soldatenkönigs Friedrich I. Beide Geschwister hatten unter den rigiden Erziehungsmethoden des Vaters zu leiden. Wie ihr Bruder war Wilhelmine sehr musikalisch, komponierte sogar selbst und übernahm die Intendanz der Bayreuther Hofoper, wohin es sie durch die Ehe verschlug. Im Gegensatz zu der Gattin Friedrichs II., die Sanssouci nie sah, war Wilhelmine sehr oft zu Gast in Potsdam. Zu kaum einer anderen Frau hatte der König ein so innigliches Verhältnis wie zu seiner Schwester, was der nachgelassene Briefwechsel beider belegt. Da ihr Konterfei die Einladung zu den Sonntagsführungen der Stiftung ziert, verwiesen die beiden Parkführerinnen auch auf Wilhelmine Encke, die weder als Schwester noch als Ehefrau, sondern als offizielle und lebenslange Mätresse das Wirken Friedrich Wilhelms II. nicht unerheblich beeinflusste. Egal in welcher Position die Frauen zu den Herrschern standen, vordergründig durften sie nicht Macht ausüben und die Politik des Landes bestimmen. Ihnen blieb der Hintergrund der gesellschaftlichen Bühne, mit dem sie sich durch ihre Geschlechtszugehörigkeit begnügen mussten, auch wenn sie, wie die unkonventionelle und schöne Königin Luise, eine große Verehrung durch das Volk erfuhren. Zum Abschluss erinnerten Eva Wieczorek und Sabine Kröner an eine Frau aus dem einfachen Volk, die ihrerseits für Preußen und gegen Napoleon kämpfen wollte. Als August Renz trat die 28jährige Eleonore Prochaska dem Lützowschen Freikorps als Jäger bei. Erst eine schwere Verwundung, an der sie auch starb, offenbarte ihr Geschlecht. Sie wurde mit militärischen Ehren beigesetzt. Soldatenweiber, Mätressen, Königinnen und Herrschaftsschwestern – das Bild des weiblichen Potsdams ist facettenreich und lädt dazu ein, die männlich dominierte Geschichtsschreibung, wie sie nach Meinung von Sabine Kröner auch in der aktuellen Ausstellung „Königliche Visionen“ im Potsdamer Kutschstall präsentiert wird, zu hinterfragen. Radio Kultur sendet derzeit die Lesung des Briefwechsels von Friedrich II. und seiner Schwester Wilhelmine: täglich um 8.30 Uhr, Wiederholung 19.30 Uhr. Helen Thein Nächste Veranstaltung: Open-air-Kunstaktion in der Brandenburger Straße, heute ab 13 Uhr: „Das Universum in der Damenhandtasche“.
Helen Thein
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