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Aufeinander eingespielt: Robert Friedls Saxophonspiel antwortete den stimmlichen Improvisationen von Marina Trost.

© Andreas Klaer

Von Undine Zimmer: Weihnachtsjazz unterm Sternenhimmel

Gospel, Funk und Latin Jazz: „Swinging Christmas“ mit Marina Trost und der Harry Scharf Group im Nikolaisaal

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Ein wenig fühlte man sich am Samstagabend beim Weihnachts-Jazz im Foyer des Nikolaisaals an die Marx Brothers erinnert. Genauer gesagt an Chico Marx am Klavier. Mit einem Grinsen unter dem kleinen spitzen Hut spielte er einst in rasendem Tempo chromatische Tonleitern in seinen Melodien, indem er die Tasten des Klaviers nur mit dem Zeigefinger antippte und auch gerne mal weit mit dem Arm ausholte, bevor er die Finger über die Tastatur gleiten ließ.

Im „Swinging Christmas“-Programm mit Jazzsängerin Marina Trost war nicht genau zu erkennen, ob Pianist Tim Allhoff tatsächlich den Fingertrick von Chico Marx zum Besten gab. Unübersehbar war jedoch, dass er mit ausholenden Gesten spielte, mit den Schultern zuckte, aufstand und sich mit diesem verzückten Grinsen zurücklehnte, um dann wieder mit der Nase ganz nah an der Tastatur die hellen Tönchen wie kleine Pointen in die Gesangspausen zu setzen.

Allhoff war der heimliche Star des Abends. Und der einzige, der zwischen den Stücken ein Handtuch brauchte, um sich den Schweiß vom Gesicht zu trocknen. Dabei sieht der Träger des Neuen Deutschen Jazzpreises 2010 weniger aus wie einer der kauzigen Marx Brothers. Ein Vergleich mit Robbie Williams wäre wohl stimmiger. Mitgebracht hatte er den Schlagzeuger Bastian Jütte, der mit ihm die wichtige Jazz-Auszeichnung erhalten hatte. Zusammen mit Sängerin Marina Trost, dem Saxophonisten Robert Friedl und dem Münchner Bassisten Harry Scharf, der für die ungewöhnlichen Arrangements der Stücke an diesem Abend verantwortlich war, spielten die fünf als Harry Scharf Group ein Programm mit zumeist amerikanischen Weihnachtsliedern.

Die „Ouvertüre“, eine Instrumentalversion von „Kling Glöckchen“ auf Walking Bass, ließ alle Festtagsträgheit des noch am Nikolaisaal-Stollen kauenden Publikums in den ersten Takten verschwinden. Wie Harry Scharf den Saxophonisten Robert Friedl, der sonst eine Vorliebe für sonnige brasilianische und orientalische Musikprojekte hat, dazu überreden konnte, Weihnachtslieder zu spielen, verriet er nicht. Wer sich Robert Friedls eigene Musik anhört, weiß sofort, dass er den Funk in diesen Abend getragen hat. Dazu blinkten unter der Saaldecke dezent gläserne Sterne abwechselnd in verschiedenen Farben. Weihnachtsjazz unterm Sternenhimmel, aber im Warmen.

Nach der langen Fahrt im kalten Auto von München nach Potsdam musste sich Marina Trost hin und wieder zwischen den Stücken schnäuzen, was sie aber ebenso sympathisch kommentierte, wie sie die Lieder ankündigte. Während sie sang, schwang sie die Arme, ließ sich in die Knie fallen und schüttelte den Kopf. Wenn sie gerade nicht sang, spielte sie mit den Händen in der Luft das Schlagzeug mit. Teils schüchtern und teils verschmitzt warf sie Blicke zur Seite und lächelte nach jedem Titel so entwaffnend erwartungsvoll ins Publikum, als wäre sie gerade aus dem Lied aufgewacht.

Zu „Rudolph the red-nosed reindeer“ gaben die Herren in den Anzügen einen kleinen Chor, was dem Publikum besonderen Beifall entlockte, ebenso wie das jazzig samba-rhythmische Arrangement von „Winter Wonderland“. Unter „Let it snow“ pumpte das Schlagzeug, dass Marina Trost so schnell sang und nuschelte, dass der Song kaum wiederzukennen war. Durchaus gewollt. Jeder dieser absoluten Weihnachtsklassiker bot ein an diesem Abend freigelegtes Jazzpotenzial. Manche Stücke waren rein instrumental, wie „Kling Glöckchen“, „Kommet ihr Hirten“ und „O Tannenbaum“, während „What are you doing on new year''s eve?“ nur von Stimme und Bass getragen wurde. Und wer hätte bisher ein Schlagzeugsolo in „Ihr Kinderlein kommet“ erwartet? Dagegen hauchte Marina Trost „I am dreaming of a white christmas“ zu einer zarten Ballade. „Die weite Reise hat sich gelohnt“, kommentierte die Sängerin den Applaus des Potsdamer Publikums.

Wäre Marina Trosts Stimme ein Instrument, wäre dies sicher ein Alt-Saxophon, wie das von Robert Friedl. Stimme und Saxophon ergänzten sich wunderbar. Friedls Spiel antwortete den Improvisationen der Sängerin. Die soulige Stimme von Marina Trost konnte mal säuseln, mal schnarren. Aber auch „Away in a manger“ als Gospel lag ihr. Doch erst in der Zugabe zeigte die vielseitige Künstlerin und Gesangspädagogin, welches Volumen ihr zur Verfügung steht. Zu guter Letzt gab es ein „Bayrisches Schmankerl“ als Abschiedssong. Nach dem Konzert eilte die Sängerin dann als Erste zum CD-Tisch, um zu signieren und mit ihrem Publikum zu scherzen.

, ine Zimmer

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