Orgelsommer: Christiane Michel-Ostertun: Wenn Bach mit den Beatles spielt
Endlich. Nach reichlich drei Wochen der Bach-Abstinenz nun der erste Beitrag aus dem uvre des Barockmeisters beim Orgelsommer.
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Endlich. Nach reichlich drei Wochen der Bach-Abstinenz nun der erste Beitrag aus dem uvre des Barockmeisters beim Orgelsommer. Das Verdienst gebührt der Mannheimer Organistin Christiane Michel-Ostertun, die sich auch für die Didaktik der Improvisation einsetzt. Für ihren Auftritt am vergangenen Mittwoch in der Erlöserkirche hat sie ein Programm zusammengestellt, das seinen Anfang mit barocken Orgel-Klassikern nimmt.
Zuerst erklingt mit der d-Moll-Passacaglia von Dietrich Buxtehude ein Werk, bei dem sich die Schuke-Orgel von ihrer klangbesten Seite zeigen kann. Bedächtige Bassakkorde bilden das Fundament, auf dem sich wechselnde Oberstimmen frei entfalten können. Spielerisch schlicht und elegant, ja geradezu heiter breitet Christiane Michel-Ostertun die polyphonen Strukturen des Werkes aus. Sie zieht keine extremen Register, wählt stattdessen leuchtkräftige Stimmen.
Ähnlich verfährt sie bei Bachs Präludium und Fuge D-Dur BWV 532, das wegen seiner packenden Motorik nach äußerst beweglichen Händen und Füßen verlangt. Unaufhörlich schnelles Dahineilen von Tonleiterläufen wetteifert mit Akkordbrechungen, die sich überraschend zu einem Dissonanzenmix zusammenfügen. Das Fugenthema breitet die Organistin rauschend, leicht und lebendig aus, wobei es im Pedalwerk heftig rumort. Dann, wie von einer Stahlfeder gespannt, schießt das Ganze pfeilschnell auf den Fugen-Höhepunkt zu.
Nach Veranstalterwunsch sollte bei den Konzerten des diesjährigen Orgelsommers aus Anlass seines 125-jährigen Todestages kein Werk des Franzosen César Franck fehlen, der damit quasi als posthumer Composer in Residence dient. Die Mannheimer Organistin hält sich daran und stellt mit „Prélude, Fugue et Variation“ op. 18 ein anmutiges, vom Geist des Rokoko inspiriertes Werk des Spätromantikers vor. Und wählt dafür weiche und warme Zungenstimmen, die für eine fantasieanregende, erhabene Wiedergabe bürgen.
Ganz von hochromantischen Gefühlen geprägt ist dagegen die 4. Orgelsonate von Joseph G. Rheinberger, der in ihr den „Tonus Peregrinus“ zitiert. Dabei handelt es sich um den 9. Psalmton, der in der Liturgie für das Magnificat, also den Lobgesang Marias, verwendet wird. Aus der Sonate spielt Christiane Michel-Ostertun nur den ersten Satz, in dem die gregorianischen Zitate in den orchestral angelegten Klang eingebettet sind.
Von einem Psalm hat sich auch die Organistin zu ihrem Stück für Orgel und Sprechstimme anregen lassen. Ausgewählt hat sie die Nummer 126 und textnah in Klang verwandelt. Um die musikalischen Um- und Ausdeutungen der Verse für die des Textes Unkundigen nacherlebbar zu machen, rezitiert sie diese und überlagert so den sanften Melodienfluss. Weich strömt er dahin, gespeist aus Romantik und melodiöser Moderne. Sehr originell, ganz auf spielerisch-didaktischer Ebene liegend, sind ihre elf imaginären Koproduktionen unter dem Titel „Wenn Bach die Beatles getroffen hätte“. In diesem Falle gehen das Toccatenthema aus BWV 565 mit Fragmenten aus „Yesterday“ und „Yellow submarine“ enge Verbindungen ein. In anderen Fällen treffen Orff auf Offenbach, Vivaldi auf Verdi, Bach auf Beethoven. Ein vergnügliches Zitatenquiz, allerdings ohne Gewinner und Preise. Dafür viel Beifall. Peter Buske
Peter Buske
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