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Kultur: Wenn das eigene Geld einfach nicht reicht Die Harfenistin Jessyca Flemming finanzierte sich ihr eigenes Instrument durch Spenden im Internet
30 000 Euro, das ist nicht nur für eine Musikstudentin eine gewaltige Summe. Jessyca Flemming spielt seit ihrem siebten Lebensjahr Harfe und träumt schon lange von einem eigenen Instrument.
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30 000 Euro, das ist nicht nur für eine Musikstudentin eine gewaltige Summe. Jessyca Flemming spielt seit ihrem siebten Lebensjahr Harfe und träumt schon lange von einem eigenen Instrument. Für weniger Geld als 30 000 Euro aber ist eine gute Harfe allerdings nicht zu bekommen. Vor fünf Jahren fing sie an zu sparen. „Als Schülerin und Studentin kann man aber nicht mal eben 10 000 Euro im Jahr beiseite legen“, sagt Jessyca Flemming. Dann bot sich ihr die Möglichkeit einer Förderung. Da sie jedoch noch mehr Geld brauchte, startete sie Anfang 2013 eine Aktion im Internet. Mit einem Aufruf versuchte sie fremde Leute davon zu überzeugen, für ihr 47 Saiten starkes Instrument zu spenden. 64 Menschen reagierten und ermöglichten Jessyca Flemming somit den Kauf. Bis ins Ausland reichte der Hilferuf, unter den Spendern fanden sich Kroaten und Franzosen. Erleben kann man das Instrument am Samstag, dem 11. Januar, wenn Jessyca Flemming gemeinsam mit den Potsdamer Vokalistinnen im Friedenssaal mit dem Programm „Mit Gesang und Harfenklang“ auftritt.
Für das Studium zog die gebürtige Berlinerin nach Weimar, wo sie im Sommer dieses Jahres ihren Abschluss machen wird. Bei der dort ansässigen „Neue Liszt Stiftung“ erspielte sie sich 2012 eine Förderung von 8000 Euro. Da ihre privaten Mittel nicht ausreichten, um den Rest der 30 000 Euro aufzubringen, stand sie vor einem Problem. Bis Ende 2013 würde das Geld verfallen, investierte sie es nicht nachweislich in den Kauf der Harfe. Eine schnelle Lösung war gefragt. Durch eine Freundin stieß sie auf die Internetseite „Vision Bakery“. Die Plattform ermöglicht es Menschen, unabhängige Unterstützer von ihren Ideen zu überzeugen und sich somit eine Finanzierung zu ermöglichen. Das funktioniert bei Firmengründern genauso wie bei Musikern. Den angestrebten Wert von 5595 Euro konnte Jessyca Flemming mit ihrem Projekt sogar übertreffen. 6014 Euro nahm sie durch Spenden auf „Vision Bakery“ ein.
Das Konzept der Internetfirma ist einfach. Der Sammelnde stellt sein Projekt auf der Plattform vor und bestimmt eine Summe, die er mindestens erzielen will. Erreicht er diese, gehen 11,9 Prozent an „Vision Bakery“. Wenn nicht, überweist die Plattform den gesamten bereits aufgebrachten Betrag zurück an die Spender. „Ich habe die Summe von circa 5595 Euro gewählt, weil ich mir relativ sicher war, dass ich mehr nicht erreichen würde“, so Jessyca Flemming. So konnte die junge Musikerin ihr Projekt erfolgreich abschließen und am Ende sogar mehr Spenden als geplant sammeln. „Es war aber wirklich nervenaufreibend“, sagt sie. Genannt wird diese Art des Spendensammelns „Crowdfunding“ und gewinnen können dabei auch die Spender, also die „Crowd“. Je nach Höhe der Spendensumme bot die 24-Jährige kulturelle Gegenleistungen an, die die Finanzierung attraktiver machen sollten. Für 17 Euro Spende gab es zum Beispiel eine von ihr eingespielte CD, für 1000 Euro kam die Harfenistin samt Begleitung für ein Konzert vorbei. „So haben wir zum Beispiel auf der Hochzeit von Verwandten eines Spenders gespielt, das ist sehr gut angekommen.“ Sogar eine eigens dem Spender gewidmete Komposition war Teil des Angebots.
Die meisten Unterstützer kennt Jessyca Flemming nicht persönlich, ist aber über mehrere Ecken mit ihnen verbunden. Das lag vor allem an der Hilfe aus ihrem Umfeld. Sehr geholfen hätten Freunde und Bekannte wie die Mitglieder der Potsdamer Vokalistinnen. „Die haben mächtig die Werbetrommel gerührt, ohne sie hätte ich es nie geschafft.“ Mit den gespendeten 6000 Euro, den 8000 Euro der Stiftung und einem Eigenanteil gelang es ihr im Oktober 2013, das ersehnte Instrument zu kaufen. „Natürlich gibt es auch günstigere Modelle, aber ich habe Wert auf gute Qualität gelegt.“ Als angehende professionelle Musikerin ist ein gewisser Standard unverzichtbar. Von Anfang an habe sie sich gesagt: Ein gekauftes Instrument muss eins fürs Leben sein.
Das Konzert mit den Potsdamer Vokalistinnen, bei dem Werke von Brahms und Britten zu hören sein werden, wird eines der ersten mit der neuen Harfe sein. „Das liegt auch daran, dass Harfen wirklich schwer zu transportieren sind und der Transport mitunter schädlich für sie sein kann“, so Jessyca Flemming. Die neue Harfe bringe sie daher nur für besonders wichtige Konzerte und Auftritte aus Weimar mit. Im vergangenen Jahr traf sie bei so einem Konzert auf einen ihrer Spender. Nach der Veranstaltung stellte er sich mit einer Blume bei ihr vor und überredete sie, ein Konzert in Arnstadt zu geben, welches er selbst organisierte.
Nicht nur zu den Potsdamer Vokalistinnen, auch zu einem anderen Potsdamer Ensemble hat die Harfenistin engen Kontakt. Seit einigen Jahren ist sie Mitglied im Collegium Musicum. „Das Ensemble ist mir wirklich ans Herz gewachsen“, sagt sie. „Hätte ich als Mitglied aufhören müssen, weil ich in Weimar studiere, wäre ich in Berlin geblieben.“ Auch dort hatte sie eine Zusage fürs Studium bekommen, von der Hochschule für Musik Hanns Eisler. Durch die rege Zusammenarbeit mit den Potsdamer Ensembles ist sie dennoch fast jedes Wochenende in Berlin. „Es wäre ja auch nicht besonders klug, alles abzusagen. Wenn ich nach meinem Abschluss zurückkomme, will ich ja nicht wieder bei null anfangen.“ Wie unsicher die Zukunft als Künstler sein kann, weiß Jessyca Flemming nur zu gut. Ihre Eltern sind selbst Musiker, die Mutter unterrichtete sie bis zu ihrem 17. Lebensjahr im Harfenspiel. „Die Orchester haben es schwer und besonders Harfenstellen werden schnell gestrichen“, so die junge Musikerin. Dennoch lässt sie sich nicht entmutigen. „Musik ist mein Leben. Und irgendwie wird es schon schiefgehen.“ Clara Neubert
„Mit Gesang und Harfenklang“ am Samstag, dem 11. Januar, um 17 Uhr im Friedenssaal in der Schopenhauerstraße 23
Clara Neubert
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