Kultur: Wenn das ganze „freiland“ zur Bühne wird
Schüler der Potsdamer Montessorischule inszenieren ihre Version von Fritz Langs „Metropolis“
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Sie trug ein rotes Kleid, hatte mal blondes, mal dunkles Haar und spielte die Maria in einer Adaption von Fritz Langs „Metropolis“. Sie war eine von 47 Neuntklässlern der Montessorischule in Potsdam, die sich an dem Stoff um das marxistische Bild von Kapitalismus, Klassenunterschieden und Revolutionskritik versucht und ein Stück aus dreizehn Szenen geschaffen hatten, das am Montagabend auf dem „freiland“-Gelände Premiere feierte.
Der Zulauf war enorm. Das hatten der Komponist, Musiker und Theaterpädagoge Jörg Isermeyer und der Regisseur und Schauspieler Jens Vilela Neumann so nicht erwartet. Zusammen mit den Schülern hatten sie in vier Wochen die Idee entwickelt und umgesetzt, mit dem facettenreichen Stoff das gesamte „freiland“-Gelände zu bespielen und die Zuschauer so von Szene zu Szene in Bewegung zu halten. Die Idee war gut, bot das Gelände doch einiges an futuristischen Bühnenelementen. Überdimensionierte halbe Eier, die wie Raumschiffe aussehen, Hollywoodschaukeln, ein alter Wohnwagen oder eine Lagerhalle, die hervorragend als Labor umfunktioniert wurde, ließen der Fantasie freien Lauf und unterstrichen den utopischen Gedanken von „Metropolis“.
Die Adaption der Schüler blieb nah am Original. In der Oberstadt das Leben im Rausch, Alkohol und Golf, bunte Kleidung, Federboas und volle Cocktailgläser. In der Unterstadt harte Arbeit, Ausbeutung und eine hohe Sterberate. Die Jugendlichen konnten sich in beide Gruppen ausgesprochen gut einfinden. In wechselnder Besetzung gaben sie den despotischen Aufseher in der Maschinenhalle, gequälte Arbeiter in Blaumann, Gummistiefeln und Plastikschutzhaube. Joh Fredersen, den arroganten Alleinherrscher von Metropolis, dessen Sohn Freder, der gegen den skrupellosen Vater aufbegehrt, oder den verrückten Erfinder Rotwang, eine dankbare Rolle, die durch besonders überspitzte Ausarbeitungen für viele Lacher sorgte. Ebenso freudig umgesetzt wurde die Rollen von „Schulz & Schulz“ – im Film die Figur des Schmalen, eines Geheimagenten – hier in Zweierbesetzung und mit vielen Slapstickeinlagen in Szene gesetzt. Wiederkehrende Requisiten wie eine karierte Schiebermütze, Trenchcoat oder ein rotes Kleid unterbanden die Möglichkeit der Verwirrung, die die ständigen Rollenwechsel unter den Schülern sonst hervorgerufen hätte.
Die engelsgleiche, von den Mädchen manchmal etwas verrucht oder aufreizend gespielte Maria fungierte als Figur der Aufklärerin. Wie in Fritz Langs Werk, versuchte sie den Mittler zwischen Hirn, Joh Fredersen, und Hand, den Arbeitern der Unterstadt, zu finden, um die Menschen, ihre Brüder, wieder miteinander zu vereinen. Dieser Mittler sollte Freder sein, der, mal von Mädchen, mal von Jungen gespielt, gegen den Vater aufbegehrte, in die Unterwelt ging, Maria sah und sich verliebte.
Ob die beiden zueinander finden und dem despotischen Vater Einhalt gebieten, ließ das Stück offen. Stattdessen boten die Jugendlichen mehrere Szenarien eines Endes an, das vom Massaker aller Aufständischen bis zum glücklich vereinten Paar alles bot. Auch sonst bewiesen die Jugendlichen viel Kreativität, spielten immer mal wieder mit der Handlung, warfen Themen ein, die nur noch abstrakt mit dem Stück und viel mit ihrem eigenen Leben zu tun hatten. Andrea Schneider
Wieder heute, 10.30 Uhr, und morgen, 10.30 und 18 Uhr im „freiland“, Friedrich-Engels-Straße 22. Der Einritt ist frei
Andrea Schneider
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