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Haydn-Spaß: Gemma Bertagnolli gibt die Vespina, Raffaella Milanesi die Sandrina und Tenor Andreas Karasiak den Vater (v.l.n.r.).

© Monika Rittershaus, Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 2009

Von Babette Kaiserkern: Wenn der Bariton Skateboard fährt

Opernpremiere bei den Musikfestspielen: „L’infedeltà delusa“ von Joseph Haydn im Schlosstheater

Stand:

Die Aufführung hätte ein Kleinod des Musiktheaters werden können, so recht hineinpassend in das Rokokotheater von Friedrich II. im Neuen Palais. Gute Voraussetzungen waren reichlich vorhanden.

In Josef Haydns Oper „L’infedeltà delusa“ geht es um das alte Thema: Geld macht nicht glücklich. Nur die Liebe zählt. Um dahin zu gelangen, sind auch List und Intrige gerade recht. Trotz des schlichten Untertitels „Burletta per musica“, also Posse oder Burleske, enthalten die zwei Akte eine beachtliche Menge schöner Musik, insbesondere sehr differenzierte Arien. Josef Haydns Oper, eine von 25 Bühnenwerken, entstand für seinen Dienstherrn Fürst Nikolaus Esterházy und wurde 1773 uraufgeführt. Sie spielt im toskanischen Bauernmilieu zwischen vier jungen Liebesleuten. Die für Abwechslung sorgenden Konflikte entstehen aus der Sturheit des Vaters bei einem der Mädchen, Sandrina, sowie aus den eigensinnigen Volten der Liebe. Der Name des anderen Mädchens, Vespina, erinnert nicht von ungefähr an Despina in Wolfgang Amadeus Mozarts „Cosí fan tutte“. Was dort jedoch aufgespalten ist in die Figur der intriganten, rationalen Kammerfrau Despina und in eine der beiden verliebten Schwestern, erscheint in der „L’infedeltà delusa“ in einer Person vereint.

Die Vespina von Haydns Textdichter Marco Coltellini ist ein verliebtes Mädchen, dem auch die Mittel der Verstellung und der Täuschung recht sind, um ihr Ziel, die Heirat mit dem reichen Nencio, zu erreichen. Während sie List und Bauernschläue verkörpert, steht Sandrina für die allein dem Herzen und den Gefühlen folgende Natürlichkeit. So verkörpern die beiden zwei gegensätzliche geistige Strömungen ihrer Zeit, die höfische Kunst der Simulation versus das „Zurück zur Natur“ und zur Empfindsamkeit. Wenn dazu noch zwei Liebhaber kommen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, sowie eine halsstarrige Vaterfigur, ergibt das eine Fülle unterhaltsam-intelligentes Bühnenpotenzial – umso mehr zur schwungvollen, fein differenzierten Musik eines Josef Haydn.

Doch enttäuschend sind zunächst das Bühnenbild und die Kostüme (Markus Meyer), die weder farblich harmonieren, noch der Handlung irgendeine interessante Dimension hinzufügen. Auch die Regie (Jakob Peters-Messer) geht nicht über platteste „Aktualisierung“ im Comedy-Stil hinaus. Klamauk und billige Accessoires finden sich zuhauf. Dass ein Bassbariton jetzt auch fürs Skateboardfahren begabt sein muss, ist ja ganz lustig, vielleicht. Dass der Vater bei seiner Arie „Senza amor e carità“ in einem Haufen Müll herumkriecht und diesen einsammelt, bildet schon einen scharfen Kontrast zum Gehalt von Text und Musik – selbst wenn hier in postpost68er Manier der Vater als kleinlicher Spießer „entlarvt“ und lächerlich gemacht wird. Ein bisschen Travestie gibt es auch, wie die Kostüme im Dirk-Bach-Stil der tuntigen Putti mit Zylinder und Flügeln zeigen. Leider kann die Musik der Capella Augustina unter der Leitung von Andreas Spering die Inszenierung nicht herausreißen. Er nimmt die Tempi viel zu schnell, drückt auf die Tube, wo er kann, so dass die Sänger, besonders zu Beginn, forciert agieren.

Bei den Sängern finden sich sehr schöne Passagen, aber in diesem Ambiente ist die Vermittlung poetischer Klangkultur nicht einfach. Gemma Bertagnolli gibt die Vespina mit drolligen vokalen Verrenkungen, aber auch lyrischen Tönen in der Gleichnisarie. Raffaella Milanesi ist eine entzückende Sandrina, deren finale Arie zu einem sängerischen Triumpf gerät. Etwas mager, mit zartem Tenor fällt die Partie des Nencio bei Daniel Auchinclos aus. Christian Senn, der skateboardfahrende Bassbariton erfüllt die Rolle des verliebten Bauern Nanni mit seiner dunklen, robusten Stimme weitgehend überzeugend. Den Vater gibt Andreas Karasiak, Tenor, mit fein ausgebildeter Vokalkultur. Schade, dass die Diskrepanzen zwischen musikalischem Gehalt und Inszenierung so stark sind, dass diese Aufführung kein ungetrübter Genuss wurde.

Babette Kaiserkern

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