Kultur: Wenn der Lehrer mit den Schülern
Die Galerie am Neuen Palais zeigt Plastiken und Grafiken von Bernd Göbel und seinen Schülern
Stand:
Die Galerie am Neuen Palais zeigt Plastiken und Grafiken von Bernd Göbel und seinen Schülern Es ist wie ein Familienausflug. Von Halle an der Saale führte er nach Potsdam. Denn alles, was derzeit in der Galerie am Neuen Palais zu sehen ist, nahm nicht nur an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein seinen Anfang. Jedes der gut 60 plastischen und grafischen Werke steht auch mehr oder weniger eng mit dem Hallenser Bildhauerei-Professor Bernd Göbel in Beziehung. Von ihm stammen zahlreiche der Arbeiten. Sein Name steht über der Ausstellung „Bernd Göbel und Schüler“. Das Konzept der Schau – 2000 und 2004 offenbar mit Erfolg bereits in Halle erprobt – fordert dazu heraus, die Arbeiten von Lehrer und Schülern miteinander zu vergleichen. Seit 1978 lehrt Göbel an der Hallenser Hochschule, zuvor hatte er am gleichen Ort bei Gerhard Lichtenfeld studiert. Von der menschlichen Figur ist sein Schaffen geprägt. Gezeigt werden jetzt einige Stücke der bildhauerischen Serie „Ikarus“ aus der letzten Dekade und ältere Holzschnitten aus den Jahren vor der politischen Wende. In einer Grafik von 1982 schaut ein „Alter mit Strick“ der fliegenden Eule nach, die er nicht zu fangen vermag. Ein Kommentar auf trotz ihres Alters wenig weise Männer? Als zeitgebundener Kommentar lässt sich auch die „Frühstückspause zweier Traktoristen“ von 1985 lesen: die Landarbeiter – sie könnten „Michel“ heißen – lehnen an Grenzpfählen, die ein Land in zwei Teile zerschneiden. Kommentieren auch Göbels plastische Werke die Zeit, muten seine Ikarus-Figuren alles andere als antikisch an. Die vereinzelten Gestalten des unglücklichen Fliegers scheinen von Dreiecken durchstoßen. Welcher Sonne mag er zu nahe gekommen zu sein? Und wachsen die Dreiecke nicht eher als etwas Fremdes aus ihm heraus und krümmen ihn unter Schmerzen? Seinen 15 bis 25 Jahre jüngeren Schülern hat Göbel sichtbar das Rüstzeug figürlichen Arbeitens mitgegeben. In schlicht-schöner Gestalt steht es mit den Bronzeskulpturen des 1958 in Rossla geborenen Bernd Kleffel vor Augen. Sein kleiner „Sitzender Alter“ und der Kopf des Afrikaners „Ricardo“ sind stille, in sich gekehrte Arbeiten. Ein monumentaler Zugriff auf die Figur gelang der 1968 in Wittenberg geborenen Katrin Pannicke in ihrer Pappelholz-Büste „Kopf“. Dagegen wirken die „Aktstudien“ des knapp 50-jährigen Carsten Theumer wie ungelenke Fingerübungen. Doch seine rätselhaft als „Koyaanisqatsi I“ betitelte Bronzefigur eines rücklings Stürzenden belegt unzweifelhaft seine Herkunft aus Göbels Schule. Auch mit seiner „Vertreibung II“, an deren zentraler Marmorplatte links und rechts eine Figur entlang fallen, während oben eine Schlange gleich einem Menetekel zuckt, hat sich Theumer der figürlichen, ältere Mythen aktualisierenden Richtung seines Lehrers angeschlossen. Die findet sich auch in den mit Figuren verzierten Leuchtern aus Stein und Bronze. Hier gab „Eris“, die antike Göttin der Zwietracht den Titel, dort wenden sich Odysseus und Penelope in der „Kleinen Odyssee II“ voneinander ab. Als einziger der ausstellenden Schüler zeigt Jan Thomas, Jahrgang 1970, Holzschnitte wie sein Lehrer. Kälber und Kühe schweben und stehen auf den titellosen Blättern neben seltsamen Gebilden. Davor irritieren die drei Skulpturen „Bodycharmers“, kleine Figuren aus Pappelholz, die eine große Form vor dem Bauch hertragen. Sie fordern weniger das Verstehen, als sie mit den Augen nachfühlend zu berühren. Wollte der Holzbildhauer mit ihnen das Tier im Menschen hervor treiben? Mehr noch dem Tier hat der heute in Leipzig lebende Stefan Voigtländer zugewandt. Interessant ist seine mehrteilige Arbeit „Beschleunigungen“ aus Aluminium. Ein von links nach rechts laufendes Schaf ist sechsfach in die Tiefe gestaffelt und gleichsam in einer Verräumlichung der Geschwindigkeit immer mehr auseinander gezogen. Mit dem 1966 in Stuttgart geborenen Marcus Golter hat es einen Göbel-Schüler nach Potsdam verschlagen. In den 90er Jahren hat er in Halle studiert, seit 2000 lebt er an der Havel. Seine „Kassandra“- und „Medusa“-Köpfe sprechen eine figürliche, in Ansätzen abstrahierende Sprache. Doch sein Thema scheint die Metamorphose zu sein, die er in der Beton-Eisen-Arbeit „Verwandlung“ an sieben Köpfen durchführte. Und einmal mehr wird Göbels Auffassung als Prägung deutlich. Götz Pfeiffer Bis 28. August in der Galerie am Neuen Palais, Am Neuen Palais 2a. Mi-Fr 14-18 Uhr, Sa-So 13-18 Uhr
Götz Pfeiffer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: