
© Andreas Klaer
Von Almut Andreae: Wenn der Okzident mit dem Orient
Perlrosa und Granatapfelrot: Malerei, Zeichnung und Installation von Jana Feiler und Olga Maslo in der Galerie M
Stand:
Eine Kaskade blutroter Granatäpfel. Auf dem Weg in die Tiefe werden die edlen Früchte durch feine Schnüre gehalten. Und verharren in andächtiger Schwebe. Beinahe sogartig wird der Blick nach unten gezogen. Wer sich nah genug an den Rand des am Boden lagernden Spiegels heranwagt und einen Blick in die Tiefe riskiert, wird reichlich belohnt. Von oben hängen unzählige Granatäpfel, durch besagte Schnüre an einem weiteren Spiegel direkt an der Decke befestigt, in die Unendlichkeit hinab. Die Säule aus roten Früchten, unwirklich und doch zum Greifen nahe, pflanzt sich scheinbar ins Bodenlose fort.
Olga Maslo hat diese Arbeit geschaffen, diese Skulptur, deren Schönheit im Moment ihrer Vollendung bereits kippt. Die ersten Spuren von Vergänglichkeit und Verfall lassen nicht lange auf sich warten. Die begrenzte Dauer der Installation von Olga Maslo intensiviert geradezu die poetische Kraft ihrer Botschaft. Goldene Lettern auf einer schlichten weißen Tafel rufen dazu auf, „achtsam“ zu sein. Die Installation Olga Maslos spielt mit Verführung und Sinnlichkeit, mit Illusion und physikalischen Größen, wie Reflexion und Schwerkraft, Zeit und Raum. Spiegel als Projektionsflächen werden zum Sinnbild für die Begegnung mit sich selbst. Die Künstlerin, die bereits mehrfach die Länder Nordafrikas bereiste und wohl von dort die Liebe zu den Granatäpfeln importierte, schuf für die aktuelle Ausstellung in der Galerie M eine Installation von großer Anziehungskraft.
Mit von der Partie ist Jana Feiler, auch sie Potsdamer Künstlerin. Zusammen bewarben sich die beiden Frauen erfolgreich für die Gestaltung einer konzeptbezogenen Ausstellung in der Produzentengalerie des Brandenburgischen Künstlerverbandes BVBK. Außer ihrer Vorliebe für die Malerei und Arbeit mit dem Raum verbindet die Künstlerinnen spirituell die Faszination für Werte und Weltbilder jenseits des Abendlandes.
Jana Feiler fühlt sich stark zu den östlichen Philosophien hingezogen, allem voran zum Taoismus und zum I-Ging. Von dem Gedanken der ewigen Wiederkehr und dem Kreislauf des Lebens zeugen auch ihre aktuellen Bilder und Zeichnungen. Die vier gezeigten Tuschzeichnungen erinnern in ihrer Konzentriertheit und reduzierten Formensprache an Vorbilder fernöstlicher Kalligraphie. Jana Feiler hat sparsame Formen – Sinnbilder für Empfängnis, Fruchtbarkeit und Vergänglichkeit – mit breitem Pinsel zu Papier gebracht, ohne einmal abzusetzen. Wie bei Olga Maslo kommt auch bei Jana Feiler Blattgold fein dosiert zum Einsatz und hinterlässt eine subtile Veredelungsspur.
Von regelrechter Seelenverwandtschaft zwischen den beiden Frauen kündet der Ausspruch Jana Feilers: „Meine Kunst ist auch eine Übung in Achtsamkeit und Stille.“ Dergestalt wird Kunst für beide zum Weg innerer Einkehr.
Für Jana Feiler findet dieser Weg und Prozess im „Shui Hong“ seinen direktesten Ausdruck. Diese chinesische Bezeichnung, die einen ganz bestimmten Roséton meint, gibt in der Malerei von Jana Feiler aktuell unübersehbar den Ton an. Das Perlrosa des Shui Hong, das die Malerin in den verschiedensten Varianten auskostet, ist nicht gleichzusetzen mit rosaroten Mädchenblütenträumen. Für die Künstlerin erlangen diese roségetränkten Bilder ihre Daseinsberechtigung als Gegenentwurf zum lärmigen Zeitgeist: „Dieses laute Trommelschlagen hat mich schon immer gestört.“ Dort, wo schon alles mittels Perlrosa gesagt ist, finden ihre Bilder in einem kräftigen Moosgrün einen dankbaren Widerpart. Wo in Ergänzung und/oder als Antwort auf das Perlrosa das Grün Einzug hält, gewinnen die Bilder an Ausdruckskraft, gleichzeitig an Plastizität und Tiefe.
Durch die einfühlsame Einrichtung der Ausstellung ist Olga Maslo und Jana Feiler eine in sich ausgewogene Präsentation ihrer Arbeit zum selbst gewählten Thema „Orient und Okzident“ gelungen. Die Fenster zur Straße haben die Künstlerinnen mit Pergamentpapier abgeschirmt und dadurch subtil die angestrebte meditative Atmosphäre im Raum unterstrichen. Eine leise Geste aus Achtsamkeit. Auf dass sich Orient und Okzident berühren.
Bis zum 11.10., Mi-Fr 11-17 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr. Zur Kunstgenusstour am 12.9. bis 24 Uhr, Hermann-Elflein-Str. 18.
Almut Andreae
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