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Harald Hauswalds Litauen, 15 km nördlich von Vilnius befindet sich der geographische Mittelpunkt Europas

© Galerie

Von Almut Andreae: Wenn der Osten mit dem Westen

„Mythos Osteuropa“: Fotografien von Harald Hauswald im Brandenburgischen Kunstverein

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Ein Köhler bei seiner Arbeit in den Waldkarpaten, eine verträumte Waldlichtung in den Masuren, volle Strände an der polnischen Ostseeküste, glitzernder Kommerz in den osteuropäischen Metropolen: Bilder und Realitäten, die aufeinandertreffen, bunt und paradox, das pralle Leben – seit Samstag zu sehen im Brandenburgischen Kunstverein Potsdam.

Die 150 Farbfotografien von Harald Hauswald sind seit ihrer Entstehung 2004 immer wieder auf Tour. Der 1954 im sächsischen Radebeul geborene und seit rund 30 Jahren in Ostberlin lebende Fotograf hatte als Gewinner eines Wettbewerbs der Bundeszentrale für politische Bildung fünf der osteuropäischen EU-Beitrittsländer bereist. In Litauen, Polen, Rumänien, der Tschechischen Republik und Ungarn traf und befragte Harald Hauswald Einheimische und Touristen, Gläubige und Vergnügungshungrige. In den dabei entstandenen Fotos inszeniert er stets den Augenblick.

Die längeren Titel unter den Ausstellungsfotos wie „Rentner in Nordböhmen, freut sich über die Öffnung“ unter dem Bild eines alten Mannes neben seinem auch schon in die Jahre gekommenen Vehikel schärfen durch den Subtext den Blick auf das Motiv. Auch wenn die Bildtitel so unmittelbar unter den Fotos optisch keine Ideallösung sind, bieten sie in Ergänzung zu den überwiegend romantisierenden Fotos eine interessante Hintergrundinformation. In Teilen Osteuropas ist der Westen auch nach der Jahrtausendwende noch nicht richtig angekommen. Diese Realität hüllen Hauswalds Bilder in ein überwiegend mildes Licht. Ob Landschaft, städtisches Leben oder Porträt: die festgehaltenen Momente und Situationen sind vor allem pittoresk. Die Aufnahmen des gesellschaftlichen Lebens, Hochzeitsumzüge und touristische Anziehungspunkte, Nationalheiligtümer und Pilgerstätten, Markthändler, Weinbauern, Straßenmusiker könnte man sich auch gut als Fotostrecken in den einschlägigen Magazinen vorstellen. Menschen ganz nah heranzuholen, Gefühle und Stimmungen zu transportieren, ist eindeutig Hauswalds Stärke.

Der Mitbegründer der Fotoagentur Ostkreuz erlangte vor allem durch seine Ostberliner Fotoserien und durch seine Foto-Reportagen, unter anderem für Geo, Stern und Zeitmagazin, Renommee. Die Ausstellung „Mythos Osteuropa“ formiert sich wie eine groß dimensionierte Fotostrecke zu einem bunten Patchwork aus einheitlichen Formaten. Es ist unterhaltsam und auch kurzweilig, sich auf Hauswalds Reisebilder einzulassen. Dank der sehr gelungenen Hängung, die das Material konsequent gliedert, stellen sich trotz des üppigen Bildangebotes beim Ausstellungsrundgang keine Überforderungsgefühle ein.

Dennoch stellt sich die Frage, ob diese Fotos den Mythos Osteuropa eher nähren oder zur Aufklärung über die Lebenssituation in den porträtierten Ländern beitragen. Die von Harald Hauswald eingenommene Perspektive transportiert Stimmungen und ist emotional stark gefärbt. Die teilweise zu beobachtenden Verschiebungen oder Übertreibungen in der Farbwiedergabe, auch die zuweilen grobe Bildkörnung mögen vom Fotografen bewusst eingesetzte Stilmittel sein, um seine „Augenblicke“ zusätzlich zu gestalten. Hauswalds Reise verdichtet sich in Impressionen, die man als Momentaufnahmen gerne betrachtet. Überraschende Einsichten vermitteln sie dagegen nicht.

Bis zum 26. April. Di-So 12-18 Uhr, Brandenburger Str. 5 (Luisenforum).

Almut Andreae

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