Kultur: Wenn der Saal förmlich explodiert Portugal. The Man begeistern im Lindenpark
+Bombastisch ist vielleicht das Wort des Abends. Bombastisch der Einsatz der Nebelmaschine, die ununterbrochen auf Hochtouren läuft.
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+Bombastisch ist vielleicht das Wort des Abends. Bombastisch der Einsatz der Nebelmaschine, die ununterbrochen auf Hochtouren läuft. Bombastisch auch die Lichtshow, die trotz vollstem Einsatz die Herren dort vorn auf der Bühne des Potsdamer Lindenparks in mystischem Halbdunkel lässt. Und bombastisch schließlich der Sound, den die Vier von Portugal. The Man, der Hauptband an diesem Montagabend, erzeugen.
Das war eine Viertelstunde vorher noch ganz anders.
Da standen Plants and Animals auf der Bühne, eine Band, die, ebenso wie Portugal. The Man, aus Kanada kommt, und die ihren Sound selbst als Indie und Easy Listening beschreibt. Zwischen unzähligem Equipment ihrer Nachfolger stehen sie in einer Ecke der Bühne gerückt und rocken, frickeln, probieren an ihren Songs, die Spiel- und Experimentierfreude gleichermaßen beweisen. Hier werden die harten, schnellen Beats genauso bedient, wie das Melodische, fast Melancholische. Es gibt Songs, die sich über mehr als sieben Minuten erstrecken und in ihrem Aufbau erfreulich überraschend und vielschichtig sind. Und alles ohne großes Beiwerk, Musik pur, genau das, was die zahlreich erschienenen Musikfans sich für diesen Abend wünschen. Und darum zollen sie Plants and Animals ihren vollen Respekt, stehen dichtgedrängt vor der Bühne und geleiten sie begeistert durch den Abend.
Die Stimmung ist also ausgezeichnet, der Umbau für die eigentliche Show des Abends geht zügig über die Bühne und was dann passiert, kann man nur als Explosion bezeichnen.
Plötzlich ist der Saal übervoll – übervoll an Sound, an Energie und vor allem ausgefüllt von dieser klaren, unglaublich, kraftvollen, erstaunlich femininen Stimme des Frontmanns John Baldwin Gorley. Wer die Band nicht kennt, ist kurz versucht, die durch eine tief ins Gesicht gezogene Kapuze beinahe maskierte Gestalt für eine Frau zu halten. Und wird natürlich eines Besseren belehrt.
Fünf Alben haben die vier Energiebündel von Portugal. The Man bereits produziert. Und das letzte, „American Ghetto“, unterscheidet sich durchaus von den ersten Veröffentlichungen.
Während die Musiker in ihren Anfängen noch viel mit Progressiv, Elektrorock und Soul experimentiert haben, nähern sie sich mit ihrem neuen Album immer mehr dem Pop. Ihre Musik scheint flächig, beinahe orchestral, ausgedehnte Soli bleiben die Ausnahme. Das geschulte Ohr hört hier die Einheit der Band, die das eigene Ego hinter den Song zurückstellt.
Wie beispielsweise bei „All my people“ oder „The Dead Dog“, die Popqualitäten haben und durch ihre Trip Hop-Anklänge streckenweise an die eingängigeren Songs von Morcheeba erinnern. Stimmlich hervorragend unterstützt wird Gorley von den Bandkollegen Zachary Scott Carothers und Ryan Neighbors, die den Stücken zu einer beeindruckenden Vielstimmigkeit verhelfen.
Leider bleiben an diesem Abend im Lindenpark die auf der Platte zu hörenden Raffinessen der Musiker ein wenig auf der Strecke. Sie fallen der Wucht des gemeinsamen Rhythmus’ zum Opfer, der sich teilweise zu unglaublichem Getöse und fröhlichem Chaos steigert. Der ein oder andere vermisst auch den Sixtiessound, der an Led Zeppelin erinnert und ist glücklich über die einzige Zugabe, die eben diesen noch einmal auf die Bühne holt.
Ein kraftvolles Liveerlebnis, das unbedingt durch das nochmalige Hören der neuen Platte „American Ghetto“ abgerundet werden sollte! Andrea Schneider
Andrea Schneider
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