zum Hauptinhalt

Kultur: Wenn die Altklarinette ruft

Das Requiem von Antonin Dvorak im Nikolaisaal

Stand:

Das Requiem von Antonin Dvorak im Nikolaisaal Dass die großen sinfonischen Kirchenmusikwerke des 19. Jahrhunderts aus dem Rahmen der rein kirchlichen Komposition heraustreten, ist seit Beethovens „Missa solemnis“ übliche Praxis. In dieser Tradition steht auch Antonin Dvoraks „Requiem“ als eines der letzten großen Werke romantischer Messmusik für Chor, Solisten und Orchester. Die Aufführung im Nikolaisaal mit der Singakademie Potsdam und dem Deutschen Filmorchester Babelsberg unter der Leitung von Edgar Hykel warf Licht und Schatten auf diese Totenmesse, in der instrumentale Effekte, harmonische Besonderheiten und vokale Passagen sehr textorientiert zusammenfügt sind. Allerdings stimmten die Proportionen nicht ganz überein. Für ein oratorisches Werk dieser Dimension ist der Nikolaisaal nicht groß genug. Nicht nur das Orchester, auch die Sängerstimmen überschritten gelegentlich die akustischen Möglichkeiten. Das Filmorchester Babelsberg mit seiner bläserbetonten, stark rhythmischen Fraktion gab den umfangreichen, groß besetzten Instrumentalpart entsprechend heftig bis urig. Doch gelangen immer wieder solistische Einsätze, die Antonin Dvoraks originelle Ideen trefflich erleuchteten. Vor allem Altklarinette und Fagott mahnen mit düsterem Ernst an das Reich der Verstorbenen, Pauken und Trommeln entfachen unheimliche Wirbel, Posaunen und Trompeten wollen sich keck nicht ganz in den gemessenen Rahmen einfügen. Die Streicher fallen dagegen – wohl aus verschiedenen Gründen – weniger in Erscheinung. Doch ragt ein engagiertes Violinsolo des Konzertmeisters aus dem Tosen der Stimmen und Instrumente hervor. Der Sinfonische Chor der Singakademie Potsdam, einer der traditionsreichsten Chöre der Landeshauptstadt, singt voller Konzentration und Klangbewusstsein. Dvoraks Requiem verweigert eine homogene kompositorische Satztechnik weitgehend, setzt mehr auf individuelle Chorpassagen, die stets in Zusammenklang mit den Solisten und den Instrumenten stehen. Der enge Bezug zur Bedeutung des lateinischen Textes verlangt von allen Mitwirkenden viel Einfühlung in die affektreichen Klangstrukturen. Mit seinem weichen, warmen Klang erweist sich der große Chor als tragfähig für dieses monumentale Opus, wenn auch gelegentlich leichte Unschärfen eintrüben. Wieviel Mühe und Hingabe dahinter steckt, kann der Zuhörer wohl kaum ermessen. Besonders die große „Quam olim Abraham-Fuge“ und das folgende „Hostias“ zeugen von außerordentlicher Geschlossenheit und subtiler Verschränkung der vokalen und der instrumentalen Anteile in Dvoraks Requiem. Diese Homogenität kann gelegentlich nur auf Kosten von Transparenz und Klangdifferenzierung erreicht werden. Einen guten Eindruck hinterlassen auch die Solisten, allen voran Denise Pelletier vom Landestheater Magdeburg mit lyrisch-brillantem Sopran. Gabriela Popescu besticht mit klangvoller Altstimme, der junge Razwan Sararu legt viel italienischen Tenorglanz in seinen Part. Als Bassist überzeugt Cesare Kwon bis hinunter in die dunkelsten Lagen. Mit der Aufführung von Dvoraks „Requiem“ hat die Singakademie Potsdam unter ihrem tatkräftigen Leiter Edgar Hykel erneut ein gelungenes Zeugnis ihres Könnens gegeben. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })