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Kultur: Wenn Gottes Laptop kaputt ist

„Theaterfrühling“: Jugendtheater aus Cottbus und Berlin im T-Werk

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„Theaterfrühling“: Jugendtheater aus Cottbus und Berlin im T-Werk Von Dagmar Schnürer Der Satz „Ich kann so nicht arbeiten!“ ist wohl einer der running-gags über das Theater. Tausendfach ausgestoßen von brüllenden Regisseuren und Regisseurinnen. In die Verzweiflung getrieben durch das widerspenstige „Material Mensch“, das, statt zu funktionieren, sich unvorhersehbar sträubt. Nicht in Stimmung, beleidigt, verspätet oder gar nicht da, anderer Meinung. Im T-Werk, das mit dem Festival „Theaterfrühling“ seine neue Spielstätte in der Schiffbauergasse eröffnete, war dieser Satz vergangenen Freitag gleich in zwei Stücken zu hören. Am Vormittag, als der „Faust-Darsteller“ den Jubel des Volkes vermisste, bzw. die Darstellerin, die eigentlich das Volk spielen sollte und nicht erschienen war. Und am Abend, als der „Ex-Gott“ seinen Nachfolger in das Computerprogramm der Weltenlenkung einarbeiten wollte und die bürokratischen (Um-) Wege ihn dabei behinderten. Themen der heutigen Jugend sollte dieser Tag des Festivals gewidmet werden: Lehrstellenmangel und Drogen. Ersteres Thema musste, samt der geplanten Podiumsdiskussion, ausfallen, weil eine Schauspielerin nicht spielen konnte. So gab das piccolo-Theater aus Cottbus statt der Produktion „disMiss“ das Lustspiel „fast Faust“ von Albert Frank, nach J. W. v. Goethe (Regie: Bob Ziegenbalg). Die drei 10. Klassen, die den nagelneuen Theaterraum in der Reithalle B füllten, waren von Anfang an mit Zwischenrufen und Kommentaren dabei. Gleich bei seinem ersten Auftritt hatte Werner Bauer sie gewonnen. Als André, Direktor und 1. Schauspieler einer aus drei Leuten bestehenden Theatertruppe, stelzte er auf die Mitte der bis auf einen Paravent leeren Bühne. Da stand er nun, ohne etwas zu sagen und blickte selbstironisch und gleichzeitig eitel-stolz ins Publikum, mit einem vielversprechenden Lächeln. Die dünnen Männerbeine in Stand-Spielbein-Pose unvorteilhaft betont durch das hängende Kittelhemd, unter dem sie in engen schwarz-glänzenden Leggings hervorragten. Dann begann seine Eröffnungsrede. „Faust“ würden sie spielen, die große Dramenliteratur dem verehrten Publikum ohne technischen Schnickschnack und aufwändige Kostüme nahe bringen. Doch schon während des „Prologs im Himmel“ entglitt der „Faust“ in die persönlichen Probleme der Truppe. Denn Hannah fehlte. Auf offener Bühne musste Heiner (Thomas Falk), der 2. Schauspieler, André beichten, dass Hannah nicht kommt, weil sie schwanger sei, von Heiner. Hannahs Rollen mussten also zwischen den zwei Männern aufgeteilt werden. So spielte Heiner nicht nur den Mephisto, dessen Gefährlichkeit unter liebenswertem Charme lauerte, sondern auch Gretchen. André, als Faust, wendete sich an ein Mädchen aus dem Publikum, um in seinem Liebeswerben nicht völlig abgeturnt zu werden. Nur der Rolle der Hexe konnte Heiner entkommen: „Ich soll also Mephisto spielen, der mit mir als Hexe spricht?“ André übernahm die Hexe. Zum Schluss viel Applaus für die beiden Schauspieler, denen die Komödie über eine Tragödie hervorragend gelungen ist. Über Drogenmissbrauch Bei der Vorstellung am Abend war Drogenmissbrauch der Aufhänger, um eine ausgefallene und überraschende Version von Himmel und Hölle, Tod und Gott zu zeigen. „Wie ein junger Gott“ ist das erste Stück von Jens Hollwedel, Schauspielabsolvent der HFF Babelsberg. Mit elf Berliner Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren wurde das Stück von Tusch (Theater und Schulen, eine Initiative der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport) und dem theater 89 (Berlin) produziert (Regie: Hans-Joachim Frank). Der ausverkauften Saal im T-Werk feiert die Vorstellung. Mit guten Tanzeinlagen (Choreographie: Annett Scholwin), Spielfreude und Gebrüll warfen sich die jungen Darsteller in die Geschichte um Herbert (Wasja Bloch) und Siggi (Tobias Loth). Der eine, erbitterter Drogengegner, stirbt versehentlich an einer Überdosis, der andere rast betrunken gegen einen Baum. Sie kommen in den Himmel, sind aber mit der Erde noch nicht fertig und suchen einen Weg, mit den Hinterbliebenen Kontakt aufzunehmen. Doch das ist nicht so einfach, denn die Engel lächeln zwar nett und weisen, wie Stewardessen, die Neuankömmlinge in den Himmel ein, aber für alles andere sind sie nicht zuständig. Selbst Gott, der auf seinem Laptop tippt, kann nicht weiterhelfen. Er wurde zum Gott gewählt und ist froh, wenn er diesen undankbaren Job wieder los ist. Herbert wird wider Willen der nächste Gott und hat nun den Laptop in der Hand, mit dem er in die Welt eingreifen könnte, wenn nicht das Bedienungshandbuch vor Jahrtausenden verloren gegangen wäre. Welches ist die richtige Taste? Nur der PC in der Hölle ist noch bedienbar... Eine schöne Leistung der Jugendlichen, deren gewohnte Coolness meistens gut zu dem Stück passte und die zu einem eingeschworenen Ensemble zusammengewachsen sind.

Dagmar Schnürer

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