zum Hauptinhalt
Falsche Ratgeber. Hans (Rob Wyn Jones, rechts) hört auf die Menschen, die es eben nicht gut mit ihm meinen (Richard Henschel, David Johnston).

© Jean-Pierre Estournet

Kultur: Wenn Hans nicht hört

Das Theater „Ton und Kirschen“ inszeniert Brechts Version des Grimmschen Märchens

Von Sarah Kugler

Stand:

Seit jeher wird der Mensch von der Suche nach dem Sinn des Lebens angetrieben. Nicht selten kehrt er dabei in sein tiefstes Inneres zurück, forscht nach den Ursprüngen seines Seins, seinen Wünschen, Träumen und Zielen. Desto technisierter und schnelllebiger die Zeiten sind, desto wichtiger scheint es vielen, Ruhepole zu finden. Kleine Augenblicke des Glücks, die in der Alltagshektik die Möglichkeit zum Stillstand geben, winzige Oasen, an denen man sich entlanghangelt und die den Antrieb zur immer fortwährenden Bewegung geben. Doch was genau sind diese Augenblicke, diese Oasen? Und kann sie wirklich jeder finden? Damit beschäftigt sich die „Hans im Glück“-Inszenierung des Wandertheaters „Ton und Kirschen“, die vom 6. bis 8. August auf dem Pfingstberg in Potsdam zu sehen ist.

Das an das Grimmsche Märchen angelehnte Stück von Bertolt Brecht erzählt die Geschichte von Hans, einem einfachen Mann vom Land, der eigentlich glücklich mit seiner Frau Hanne zusammenlebt. Doch dann taucht ein Fremder auf, verführt seine Frau und lässt ihn auf seinem Hof allein zurück. Den tauscht er wenig später gegen zwei Reisekarren ein und macht sich auf die Suche nach Abenteuer in der Freiheit. Doch die Welt hat ihre Tücken und so gerät Hans in einen bunten Strudel aus Liebe und Kriminalität, der ihn fortzureißen droht. Stück für Stück tauscht er dabei sein Hab und Gut aus Gutmütigkeit ein, immer auf der Suche nach ein klein wenig Lebensfreude.

Von den märchenhaften Tauschobjekten ist bei Brecht nur die Gans übrig geblieben, die in der Inszenierung bei Ton und Kirschen zu einer Art Schlüsselobjekt wird. Mal kommt sie als hinterhergezogene Watschelgans daher, mal liegt sie als fast lebendige Puppe im Arm und mal fliegt sie mit rauschenden Flügeln von dannen. Allerdings steht sie hier nicht für das Lebensglück, sondern für Hans’ Scheitern. Denn anders als im Märchen findet Hans bei Brecht durch seine Reise keinen festen Platz in der Welt. Vielmehr geht der gutgläubige Mann an der Habgier und Manipulationslust seiner Mitmenschen zugrunde. Zwar kehrt auch er zu seinem Ausgangspunkt, der heimatlichen Landidylle, zurück, doch der Frieden, den er findet, wird ein ewiger, ein letzter sein, begleitet vom Flug der Gans.

Obwohl Brecht ursprünglich mehrere Enden konzipierte, ist der Tod des Hauptcharakters die einzig logische Konsequenz für das Wandertheater. „Wir bleiben somit direkt bei Hans und erzählen seine Geschichte mit all ihrer Traurigkeit zu Ende“, so Margarete Biereye, die künstlerische Leiterin von „Ton und Kirschen“. Und es ist eine traurige Geschichte. Denn nicht nur Hans, sondern auch seine Frau Hanne wird das Stück nicht überleben. Von ihrem anfänglichen Verführer schwanger geworden und halb verhungert, sucht sie zunächst Hilfe bei Hans, ergibt sich dann aber doch ihrer Verzweiflung und geht ins Wasser. Auch sie kehrt mit ihrem Tod in die Arme der Natur zurück. Ein Kreis, der sich also gleich doppelt schließt.

Für das Ensemble des „Ton und Kirschen“-Theaters waren zwei Dinge besonders wichtig: der geschlossene Kreislauf der Natur – „wir leben in unserem Theater ja auch mit den Jahreszeiten“, so Biereye. Und die Einsicht: „Wenn die Menschen andere Ansichten auch mal gelten ließen, würden sich viele Lösungen schneller finden lassen.“ Das solle sich auch in der Inszenierung widerspiegeln, eben weil Hans ausgerechnet dem Menschen nicht zuhört, der es gut mit ihm meint. Als seine Dienerin versucht, ihn zu Beginn des Stücks vor dem Fremden zu warnen, nimmt er das nicht wahr. Allen anderen, die korrupt und selbstsüchtig sind, vertraut er jedoch: Dem Fremden, der die Frau entführt, dem selbstsüchtigen Marktweib und dem vermeintlichen Freund, für den er sogar kriminell wird. „Hans ist ein sehr einfacher Mensch, der mit seinem Charakter hart gegen die moderne Mentalität stößt“, sagt Rob Wyn Jones, der den Hans hier spielt. „Er versteht die Gier seiner Mitmenschen einfach nicht, steht ihr deswegen auch blind gegenüber, lässt sich davon manipulieren und scheitert letztendlich daran.“ Um die Manipulation Hans' durch seine Mitmenschen besser darzustellen, spielt das Ensemble nicht nur selbst, sondern lässt einige Szenen, wie zum Beispiel die Verführung Hans' durch das Marktweib, durch Marionetten darstellen. „Das gibt einem einfach mehr Freiheit beim Spiel“, sagt Biereye. Damit könne alles ein bisschen übertriebener sein, ein bisschen humorvoller.

Bei allen Anspielungen wolle das Theater aber nie den moralischen Zeigefinger erheben. Vielmehr soll die Inszenierung für den einen oder anderen die Möglichkeit bieten, sich auf sich selbst zu besinnen, eine Brücke zu schlagen zwischen den so wichtigen kleinen Glücksoasen und der Hektik des Alltags – ohne daran zu scheitern.

„Hans im Glück“ hat am Mittwoch, dem 6. August, um 20 Uhr auf dem Pfingstberg Premiere.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })