Kultur: „Wenn ich weine, schlägt mein Herz“
Babelsberger Medienpreis für Annett Schütze von der Potsdamer Filmhochschule „Konrad Wolf“
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Sie hat nicht gezögert, als sie den Straßenkindern in Rumänien die Kamera in die Hand drückte und damit einen Teil der Verantwortung für ihren Dokumentarfilm „Wenn ich weine, schlägt mein Herz“ einfach abgab. Das Ergebnis gibt ihr Recht. Am Freitag erhielt Annett Schütze gemeinsam mit dem Produzenten Andreas Banz für ihren Abschlussfilm an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ den Babelsberger Medienpreis.
Für diese Arbeit hatte sie Straßenkinder in Bukarest ihre ganz eigene Sicht auf ihr gefährliches Leben zwischen Drogen, Prostitution und Gewalt erzählen lassen. Eine raue Welt, in der ihnen nur ein kleiner Zirkus so etwas wie Heimat, ein zu Hause gibt.„Ich wollte eine andere Perspektive zeigen“, erzählt die Regisseurin. Nicht ihre eigene Sicht sollte im Vordergrund stehen, sondern die Eindrücke der Kinder, deren Wünsche und Träume. Das ging jedoch nur, indem sie den Kindern die Kamera für eine kurze Zeit überließ. „Ich wusste, ich bekomme sie wieder“, war sich die Filmemacherin sicher. Selbstverständlich sei das nicht, denn in Rumänien herrsche brutale Realität. „Die jüngsten Straßenkinder sind gerade sechs Jahre alt“, erklärt Annett Schütze.
Gemeinsam mit einer Sozialarbeiterin versucht sie derzeit, ein zwölfjähriges Mädchen vor der Prostitution zu bewahren. Man spürt, wie sehr der achtmonatige Aufenthalt die Regisseurin bewegt hat. Sie wirkt schüchtern. Eigentlich wollte sie über die Dreharbeiten gar nicht sprechen. Doch plötzlich sprudelte es aus ihr heraus: „Die Kreativität der Kinder war unglaublich“, erzählt sie. Die meisten konnten weder schreiben noch lesen, seien aber völlig selbstverständlich und unkonventionell mit der Kamera umgegangen. So viel Material kam dabei zustande, dass der Abschlussfilm von Annett Schütze über ein Jahr geschnitten werden musste.
Die gelernte Schnittmeisterin bevorzugt es, mit der Kamera zu experimentieren. Sie liebt es, Neues auszuprobieren und nicht die ausgetreten Pfade zu beschreiten. „Doch mein Weg entspricht nicht der Fernsehästhetik“, meint die junge Frau, und es klingt ziemlich bitter. Seit einem Jahr versucht sie, einen Sender für ihren Film zu gewinnen. So viel Energie sei in das Projekt gesteckt worden, erzählt sie. „Und dann bekommt den Film kaum jemand zu Gesicht“, so die Regisseurin. Mit dem Babelsberger Medienpreis könnte sich das jetzt vielleicht ändern.
Annett Schütze ist hartnäckig geblieben. Schon während der schwierigen Dreharbeiten in Rumänien unter denkbar schlechten Bedingungen machte sie unbeirrt weiter, erzählt Kollege und Produzent Andreas Banz. „Sie hat den Film überhaupt erst möglich gemacht.“
Für seine Mühen wird das Team nun mit einem Preisgeld von 18 000 Euro belohnt, um ein neues Projekt zu finanzieren. Vielleicht überrascht die Regisseurin dann wieder mit einer ganz neuen Perspektive. Susanna Maier
Susanna Maier
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