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Von Dirk Becker: Wenn jeder Ton zur Kostbarkeit wird Kristian Bezuidenhout auf dem Hammerklavier

Wie oft Kristian Bezuidenhout auf einem der seltenen Originalinstrumente spielen kann, verriet er am Dienstag in der Ovidgalerie der Neuen Kammern nicht. Eine Selbstverständlichkeit scheint das selbst für einen Künstler wie ihn nicht zu sein.

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Wie oft Kristian Bezuidenhout auf einem der seltenen Originalinstrumente spielen kann, verriet er am Dienstag in der Ovidgalerie der Neuen Kammern nicht. Eine Selbstverständlichkeit scheint das selbst für einen Künstler wie ihn nicht zu sein. Als er auf das provisorische Bühnenpodest trat und kurz sein Instrument für den Abend vorstellte – ein Hammerklavier aus Wien, erbaut 1802 von Michael Rosenberger, restauriert und für dieses Konzert zur Verfügung gestellt durch Edwin Beunk – schloss er mit der freundlichen Aufforderung: „Genießen Sie es!“ Kristian Bezuidenhouts erwartungsvoller Gesichtsausdruck verriet, dass er die sechs vorgesehenen Stücke des Abends auf dem grazil wirkenden Rosenberger auf jeden Fall genießen würde.

Mit „Sturm im Wasserglas“ war das Konzert mit Sonaten von Domenico Scarlatti, Carl Philipp Emanuel Bach und Joseph Haydn überschrieben. Warum ausgerechnet diese relativierende, oft genug auch abwertende Redewendung als Motto des Abends dienen musste, blieb unverständlich. Weder können gerade die Wirkungen von Scarlattis und Haydns Kompositionen auf die Weiterentwicklung der Klaviersonate als besagter „Sturm im Wasserglas“ bezeichnet werden, noch das akzentuierte, äußerst gefühlvolle und farbige Spiel von Kristian Bezuidenhout.

Dass es in diesen Kompositionen, eine Art Übergang zwischen der Formstrenge des Barocks und der zielgerichteten Dynamik der Klassik gärt und brodelt, der Ausbruch oft nur schwer zurückgehalten wird, zeigte Kristian Bezuidenhout deutlich. Als Mittelpunkt des Konzertes können die Sonaten d-moll (K 213) und h-moll (K197) von Scarlatti, für das Cembalo komponiert, gelten. Hier wird die Suche nach einer neuen musikalischen Freiheit hör- und spürbar, das virtuose Spiel mit einem Thema, das „freye“ Phantasieren, mal ausformuliert, oft genug auch nur angedeutet.

Mit welcher Leichtigkeit und welchem Witz dieses „freye“ Phantasieren sich Bann brechen kann, zeigte Kristian Bezuidenhout mit der Sonate e-moll (59/I) und dem Rondo c-moll (59/IV) Philipp Emanuel Bach. Das oft nur Angedeutete eines Themas, das Fallenlassen, dann wieder Aufgreifen in der fast schwebenden Sonate C-Dur (Hob XVI: 48) von Haydn. Bezuidenhouts Spiel hier das eines Genussmenschens, der feinste Töne, zarteste Kadenzen auf dem Rosenberger Hammerklavier entstehen ließ und diese oft durch eine dezente Nutzung der Dämpfung wie feinsten Staub zergehen ließ.

Höhepunkt jedoch war die abschließende Haydn-Sonate in c-moll (HobXVI: 20). Von der oft bittersüßen und schweren Melancholie eines Scarlatti keine Spur mehr. Unter Bezuidenhouts Händen wurden die drei Sätze zu einem leuchtenden Moll. Behutsam der Aufbau im Moderato, jeder Ton, jeder Akkord eine Kostbarkeit, denen es ausgiebig nachzulauschen gilt. Das Andante con moto mit seiner Themenverspieltheit fast schon von kristallener Schönheit, die sich im Finale: Allegro vollends entfaltete. Der Applaus zeigte deutlich, dass nicht nur Kristian Bezuidenhout diesen Abend in vollen Zügen genossen hatte.

Dirk Becker

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