
© Doris Spiekermann-Klaas
Kultur: Wenn Kinderträume wahr werden
Ich Hengst, du Schwein: Knorkator auf Ü77-Tour in der Waschhausarena
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Sie wollen alle dasselbe: böse aussehen und brav bleiben, wild toben, aber unter Anleitung – und bestraft und belohnt werden. Knorkatorfans haben zum Konzert in der Waschhausarena am Samstagabend ihre schwarzen Tour-Shirts rausgeholt. Und die meisten ab einem bestimmten Alter haben eine Figur wie der Frontsänger Gero Ivers, für Knorkator nennt er sich Stumpen: Stämmig und ein bisschen Bauch. Die Bäuche seien, nach den Worten von Stumpen, auch der Grund gewesen, warum Knorkator, die 2008 eine Bandpause eingelegt hatten, mit dem „Aufhören aufhören“ wollten. Man habe zu wenig Bewegung ohne die Spaß-Metal-Band, die erst seit Mitte September wieder auf Tour ist mit ihrem neuen Album „Es werde nicht“.
Knorkator funktioniert wie eine Schuljungenfantasie, Stumpen verkörpert das Vorbild des schlimmen Jungen und der strengen Lehrerin zugleich. Sein Markenzeichen, seine hohe Stimme, mit der er spricht und das Publikum ermahnt „Jetzt sei doch mal still, sonst lass ich dich raustragen“ legt diesen Vergleich nahe, obwohl äußerlich nichts darauf hinweist, weder der schwarze Body mit Knochenaufdruck noch die Ganzkörpertätowierung. Stumpen belohnt, filmt die Bühne mit den Handys der Zuschauer, ermahnt „Ihr sollt tanzen“ oder gibt Spielanleitungen wie „Huckepack!", „Hände nach oben!“, „Hüpfen!“. Das macht dem Publikum besonders Spaß. Und weil man mit Knorkator auch aus vollem Halse „Highway to hell“ singen kann, ohne es meinen zu müssen, ist das eine Band für die ganze Familie. Von Zehnjährigen bis um die 60 Jahre ist alles anwesend.
Knorkator legen schwere dröhnende Beats und schreiende Heavy-Metal-Gitarrensoli auf. Aber eigentlich geht es ums Mitsingen. Immer wieder wechselt sich das Herbe mit klassischen Chorarrangements, die durch die betont hohe Stimme von Stumpen und der extrem tiefen Stimme von Keyborder Alf Ator etwas Lächerliches bekommen. Lächerlichkeit ist sowieso das Motto der Band, das sie mit Nonsenstexten von aller Ernsthaftigkeit und jeglichem Anspruch befreit. Knorkator ist so gefährlich wie ein rosa quietschender Plüschtotenkopf, der einem die Zunge rausstreckt. Oder eben einen Riesenpenis mit roter Leuchtspitze zu dem Lied „Ich lass mich klonen“, in dem der Sänger erklärt, warum er sich so gerne selbst f... würde. Pubertierende Inszenierungen mit jeder Menge „Hihi, das darf man doch eigentlich gar nicht sagen.“
So singt im neuen Hit „Arschgesicht“ ein Schuljunge, als Rockstar zurechtgemacht, mit unbewegter Miene vor dem Luftstrom eines Ventilators, wirft seine schulterlangen Haare lässig nach links und rechts wie ein Profi: „Geh aus dem Weg, du Arschgesicht“. Im Hintergrund rocken die vier Knorkatormitglieder am Schlagzeug, der E-Gitarre und den Keybords. Ein Kindertraum wird wahr, der Kleine macht den Großen verbal fertig. Da muss man schon ein wenig schmunzeln. Ebenso beim ersten Lied der „Stuhltrilogie“, das unter dem Titel „Du nich“ nur aus einem langen verbalen Hahnenkampf besteht wie „Ich stark, du schwach, Ich toll, du oll, ich Stiefel, du Sandalette“. Zum Augenverdrehen dagegen sind ältere Lieder wie „Sofort“, das auch nur aus diesem einem Wort besteht, das wiederum so oft und immer schneller hintereinander wiederholt wird, bis es wie „Fotze“ klingt. Wieder so ein Hihi-Lied.
Abgesehen von den grünen Ziffern auf dem Schlagzeug merkt man nicht so viel vom Motto der Show, sollte „Ü 77“ doch für zahlreiche Anspielungen auf die Ziffer Sieben stehen. So werden auch die angekündigten 77 Minuten Konzertlänge nicht weiter besprochen. Alle Anwesenden sind jedoch zufrieden, dass die 77 Minuten spätestens mit den Zugaben überzogen wurden. Undine Zimmer
, ine Zimmer
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