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Kultur: Wenn Morgenstern zu Musik wird

Christian Morgensterns Gedichte wie „Der Papagei“, „Das Knie“ oder „Wildschwein und Zahmschwein“ sind Perlen. Sprachliche Spielereien, durchtrieben und schlitzohrig, scheinbar banal und doch so hintersinnig, fast schon weise.

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Christian Morgensterns Gedichte wie „Der Papagei“, „Das Knie“ oder „Wildschwein und Zahmschwein“ sind Perlen. Sprachliche Spielereien, durchtrieben und schlitzohrig, scheinbar banal und doch so hintersinnig, fast schon weise. Braucht dieser feine Sprachwitz noch Ergänzung oder Unterstützung?

Eine Antwort auf diese Frage gaben die Sopranistin Barbara Hoos de Jokisch und der Gitarrist Carlo Domeniconi mit ihrem Konzert „Man gönnt sich ja sonst nichts“ am Donnerstag im Kammermusiksaal Havelschlösschen vor 20 Zuhörern. Domeniconi, gebürtiger Italiener und seit Jahrzehnten in Berlin lebend, ist vor allem als Komponist bekannt und seine viersätzige „Koyunbaba“ zählt zu einem der schönsten und kraftvollsten Stücke zeitgenössischer Musik und wird immer wieder von den renommiertesten Konzertgitarristen interpretiert.

Zu 13 Gedichten von Morgenstern hat Domeniconi seine musikalischen Gedanken entworfen. Oft witzig und kurzweilig, gedanken- und anspielungsreich wie die Werke des Schriftstellers, sind diese Kompositionen mal dezent, schon fast verschwindend nur ein leichter Hintergrund für den Gesang von Barbara Hoos de Jokisch. Dann wieder forsch in den Vordergrund tretend, das Sprachspiel Morgensterns noch verstärkend. Am überzeugendsten gelang die Vertonung von den Gedichten „Die Zeit“ und „Vice Versa“. Da ließ Domeniconi auf seine Saiten die Uhr ticken, während Barbara Hoos de Jokisch auf Überbetonungen und Affekte verzichtend einfach nur hingebungsvoll sang. So auch bei „Vice Versa“, das Domeniconi mit einer musikalischen Impressionistenlandschaft umschloss.

Weniger überzeugend dagegen die Werbetext-Vertonungen von Johann Anton Kaufhaus. Da wirkten die gesanglichen Zuspitzungen und Überhöhungen banaler Slogans bemüht, denn Werbung hat das Überdrehte, Aufgekratzte und Selbstironische längst selbst für sich entdeckt und das zu einer eigenen Kunstform entwickelt. Das Publikum störte sich wenig daran und dankte mit ausgiebigem Applaus. Die Musiker bedankten sich ebenfalls mit der wohl kürzesten Zugabe der Welt, die aus der herrlichen Aussage bestand, Marzipan könne mehr sein, als immer nur ein rosa Schwein. Dirk Becker

Dirk Becker

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