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Kultur: Wenn Nietzsche durch den Porno spukt

Die Konferenz „Explicit!“ startete am Freitag mit gemeinsamem Pornogucken im Filmmuseum

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Irgendwie erwartete man sie doch. Die glasigen Blicke, die vor Erwartungen leicht geröteten Wangen. Doch weit und breit war kein Zaungast zu sehen, der eben nur mal ein bisschen Pornofilmchen gucken wollte. Die Zuschauer interessierte Porno – und zwar als Gegenstand wissenschaftlicher Erörterung. Der Eröffnungsabend der internationalen Konferenz „Explicit! Coming to Terms with Pornography“ der FH Potsdam bot am vergangenen Freitag im Filmmuseum mit einer Filmvorführung und anschließender Podiumsdiskussion nicht nur Sehenswertes, sondern vor allem auch Wissenswertes.

War vor Beginn der Veranstaltung noch so mancher anzüglicher oder mit doppeldeutiger Finesse versehene Witz aus den Reihen des beinahe durchweg studentischen Publikums zu hören, verstand es Organisatorin Lisa Andergassen mit ihren einführenden Worten, dem Ganzen den nötigen wissenschaftlichen Rahmen zu geben. Mit der Dunkelheit senkte sich zunächst erst einmal erregte Spannung und leichtes Unbehagen über die Zuschauer. Was allerdings schnell in Verwirrung mündete. Der Film „I wish I was a Lesbian“ zeigte zwar nackte Haut, doch zwei Männer, aus deren Kehlen weibliche Stimmen „I wish I was a Lesbian, why was I born a hetero?“ singen, hatte dann doch niemand erwartet.

In den Filmen „I am a real boy“ und „20 Sekunden“ waren dann eindeutigere Szenen zu erkennen. Doch erst mit „Hasenhimmel“, der mit den typischen Klischees heterosexueller Pornografie spielt und gleichzeitig eine tiefgründig-philosophische Diskussion über Nietzsche, ästhetische Positionen toter Hasen und die Unsterblichkeit der Seele entfacht und dem Film „Biodildo“, einer skurrilen Porno-Satire, wusste auch der letzte Zuschauer, warum der Eintritt erst ab 18 Jahren zugelassen war. Besonderen Gesprächsbedarf lieferte Jan Soldats dokumentarischer Film „Zucht und Ordnung“. „Ein „Film über Sexualität, nicht unbedingt ein Porno“, wie er erklärt. Die Protagonisten Jürgen und Manfred, zwei Herren, die im gehobenen Alter ihre körperlich beste Phase schon hinter sich gelassen haben, zeigen scheinbar gerne ihre sexuellen Praktiken. Die Stimmung des Publikums kühlte jedoch merkbar ab.

Ließ das angeschaltete Licht durchaus noch das ein oder andere rote Ohr erkennen, gelang es mit einer guten Mischung aus theoretischer Wissenschaft und praktischer Filmproduktion, das studentische Publikum unverzüglich in den Vorlesungsmodus zu versetzen. Soziologe Sven Lewandowski, Filmemacher Jan Soldat und Oliver Rihs sowie Manuela Kay, Kuratorin des Berliner Pornfilmfestivals, erläuterten zunächst ganz fachlich das Thema Pornofilm als wissenschaftliches Bearbeitungsfeld. Doch wie sehr das Thema Pornografie polarisieren kann, wurde in einer viel zu kurzen Diskussion über seine Definition, Geschlechterfragen, „Unterschichten-Pornos“, die Intention der Triebstimulation und die Erotik des Baur-Unterwäsche-Katalogs deutlich spürbar. Leider mit viel zu wenig beantworteten und noch reichlich offenen Fragen wurde das Publikum zurückgelassen.

Doch eines wurde nicht nur Oliver Rihs klar, dessen Film „Hasenhimmel“ wegen seiner Kürze von einer Produktionsfirma für den Massenvertrieb abgelehnt worden war: Die Länge ist manchmal eben doch entscheidend. Chantal Willers

Chantal Willers

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