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Kultur: „Wenn sich zwei Herzen scheiden“

Brandenburgisch-norwegische Musikbeziehungen bei der „Stunde der Einkehr“ in der Kartzower Dorfkirche

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Brandenburgisch-norwegische Musikbeziehungen bei der „Stunde der Einkehr“ in der Kartzower Dorfkirche Was haben Adam Jarzebski, Paul Lange-Bai und Richars Nordraak gemeinsam? Einiges. Alle drei Komponisten standen zur „Stunde der Einkehr“ auf dem Programm der Kartzower Sommerkonzerte. Jedesmal war es eine Entdeckung, verbunden mit der Mark Brandenburg und dem unermüdlichen Sucher und Forscher Wolfgang Wirth aus Berlin. Pfarrer i. R. Herwig Schworm hatte letzten Samstag so Unrecht nicht, als er die vom Fahrländer Kulturbund unterstützte Veranstaltungsreihe, ja Kartzow selbst, im Scherz als „Nabel der geistigen Welt“ bezeichnete. Wirth fand nicht nur heraus, dass der vor Ort geborene Lange-Bai die türkische Musiktradition umgekrempelt, der Pole Jarzebski gar Hymnen auf preußische Städte geschrieben hatte. Nordraak, hochbegabt und früh verstorben, komponierte nämlich ausgerechnet im Potsdamer Marly-Garten die Nationalhymne seines Heimatlandes, welche zum Abschluss der besinnlichen Stunde erklang. Der Text stammt übrigens von seinem Landsmann Björnson, Literaturnobelpreisträgers von 1903. So stand „O Saga-Nacht, die träumend sich herniedersenkt“ ganz im Zeichen der brandenburgisch-norwegischen Musikbeziehungen. Neben den Wortbeiträgen des Berliners und Kompositionen von Nordraak (1842-1866) brachten die Violinistin Ingrid Ginsburg und Werner Scholl am E-Piano Werke von Johan Svendsen, Christian Sinding und Edvard Grieg zu Gehör. Tatsächlich ist diesem Thema mehr abzugewinnen, als Mitteilungen über die jährlichen „Nordlandfahrten“ Wilhelm II. oder den von ihm angeregten Bau der Matrosenstation (1894) auf der „Königs-Halbinsel“. Christoph Willibald Gluck schien die bilaterale Musikgeschichte zu eröffnen, als er 1749 eine italienische Truppe von Kopenhagen nach Christiana (Oslo) begleitete. Joachim Wagner baute dem Nordland eine Orgel; Reißiger führte im zehnjährigen Dienst als Kapellmeister die Oper samt Freimaurerei in die Metropole ein. Die genannten Norweger hingegen bereisten mit Eifer Europa, orientierten sich aber wesentlich an der Romantik in Deutschland. Sinding, dessen „Frühlingsrauschen“ wohl alle Klavier spielenden Bürgerstöchter zu üben hatten, gab in Berlin und in Alt-Potsdams Palast Barberini Konzerte. Svendsen, ein Weber-Verehrer und Freund Wagners, wohnte gar An der Alten Zauche. Auch Grieg, ob seiner elegischen Grundhaltung damals der Liebling aller Salons, weilte 1889 in Potsdam. Nordraak seinerseits machte ihn nachhaltig auf die norwegische Folklore aufmerksam. Das bürgerliche Musikleben Norwegens entstand, meist von Deutschland aus inspiriert, also erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wie „romantisch“ das freilich vor sich ging, will Wirth dann zum großen Grieg-Jahr 2007 in Kartzow erzählen. Ein weites und fruchtbares Feld, offenbar. Werner Scholl eröffnete den musikalischen Teil in der trotz Regens wieder gutbesuchten Kirche mit dem Sinding-Klassiker, nachdem er sich „sehr lange geweigert“, denselben zu spielen. Später folgte Svendsens Romanze in g-Moll. Von Grieg waren zwei Sätze aus seiner c-Moll-Sonate zu hören (wobei man sich von der Konzertmeisterin des Händel-Festspiel-Orchesters/Halle ein wenig mehr erhofft hatte), „Solvegs Lied“ aus „Peer Gynt“, klar, als Standard, und das tiefmelancholische Stück “Wenn sich zwei Herzen scheiden“ von Nordraak, dessen anderes Wirth per Recherche in der unerfüllten Liebe zu Erika Nissen fand. Norges Hymne im Stehen zum Schluss, Blumen, Dank und Segen. Gerold Paul

Gerold Paul

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