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Kultur: „Wer bin ich?“

Lesung und Film zu Dietrich Bonhoeffer ergänzten sich vortrefflich

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Lesung und Film zu Dietrich Bonhoeffer ergänzten sich vortrefflich Selbst ein halbes Jahrhundert nach der Erstveröffentlichung hält die Wirkung von Dietrich Bonhoeffers „Widerstand und Ergebung“ unvermindert an. Die während der Haft in Berlin-Tegel verfasste Sammlung von Briefen, Gedichten und Essays Bonhoeffer erzielte in Deutschland bis heute 17 Auflagen – wurde in 17 Sprachen übersetzt. Für viele Menschen heute gilt Dietrich Bonhoeffer als Märtyrer, als Heiliger des 20. Jahrhunderts.Verschiedene Facetten des Pfarrers und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer reflektierten zwei Potsdamer Veranstaltungen zum Gedenken an den 60. Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944. In der Nikolaikirche las Klaus Büstrin vor rund 150 Zuhörern aus Bonhoeffers „Widerstand und Ergebung“. Anschließend lief im Filmmuseum „Bonhoeffer – Die letzte Stufe“, eine deutsch-kanadische Koproduktion mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle. Beide Veranstaltungen ergänzten einander vortrefflich. In Klaus Büstrins sensibler, gut zusammengestellter Lesung begegnete man dem Denker und Dichter, dem Gläubigen, dem Humanisten und dem Musikliebhaber Bonhoeffer. Lieder von Paul Gerhardt, Gerhard Teerstegen und Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe spendeten ihm noch in der Erinnerung Trost und Hoffnung. Nach einem Jahr in Tegel berichtete er in seinem Haftbericht, dass bereits der Untersuchungshäftling als Verbrecher behandelt würde. Gerade im Gefängnis gelangte Dierich Bonhoeffer zu tiefen Einsichten über den Glauben und das Christentum. Beides ist für ihn erst in der „vollen Diesseitigkeit des Lebens“ erfahrbar. Trotz aller fürsorglichen Liebe zu seiner Familie und zu Freunden, die in seinen Taufreden, Predigten und Gebeten zum Ausdruck kommt, erlebte Bonhoeffer seine innere Zwiespältigkeit sehr genau. Davon legt das Gedicht „Wer bin ich ?“ beredtes Zeugnis ab. Dass die letzte Hingabe, die einzige Zuversicht Gott allein gilt, formulierte er in seinem schönsten und bekanntesten Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Der 1999 gedrehte Film „Bonhoeffer - Die letzte Stufe“ des kanadischen Regisseurs Eric Till vermittelt ein sehr lebendiges, geradezu handfestes Bild des Theologen als führender Repräsentant der Bekennenden Kirche, als Widerstandskämpfer und als Liebender. Über seinen Schwager Hans von Dohnanyi hatte Bonhoeffer in die Gruppe um General Oster in der deutschen Abwehr gefunden, er organisierte die Ausreise von Juden und leistete Kurierdienste. Nur zwei Monate vor seiner Inhaftierung hatte er die siebzehnjährige Maria von Wedemeyer kennengelernt und sich mit ihr, zunächst gegen den Widerstand ihrer Familie verlobt. Verzweifelt versuchte Maria ihren Verlobten aus den Fängen der Gestapo freizubekommen. Trotz mehrerer Fluchtmöglichkeiten entschloss sich Dietrich Bonhoeffer, im Gefängnis zu bleiben. Seine Verlobte verabschiedet er mit den Worten : „Ich bin erst hier der Mann geworden, den du liebst“. Für Bonhoeffer verstand es sich von selbst, das niederträchtige Angebot von Oberkriegsrat Manfred Roeder auszuschlagen, der ihm Freiheit für sich und seine Familie im Austausch gegen Falschaussagen bei den Alliierten anbot. Jedoch gelang es Manfred Roeder ohnehin, trotz zahlreicher Strafanzeigen von Angehörigen ermordeter Widerstandskämpfer, seinen Kopf zu retten und bis zu seinem Tod unbeschadet als „Generalrichter a.D.“ im Taunus zu leben. Auf Roeders Befehl wurde Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager Flossenbürg drei Wochen vor der deutschen Kapitulation erhängt. Die letzte Szene zeigt Bonhoeffer als nackten, todgeweihten Menschen – wie letztlich alle Menschen. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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