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Kultur: Wer ein holdes Weib errungen

Konzertanter „Fidelio“ in der Erlöserkirche

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Neudeutsch könnte man Ludwig van Beethovens Oper „Fidelio“ glatt als ein work in progress bezeichnen. Sowohl die Urfassung „Leonore“ als auch der die Gattenliebe preisende „Fidelio“ mussten sich von des Meisters Hand diverse Umarbeitungen gefallen lassen. In insgesamt vier Ouvertüren, drei von ihnen sind schließlich in den Konzertsaal übergewechselt, hat der Komponist versucht, das Geschehen auf den Punkt zu bringen.

Es kreist um Machterhalt und das heraufziehende Ende einer diktatorischen Herrschaft nebst dem Lobpreis von Freiheit und persönlicher Befreiungstat. So sucht Leonore, als Mann verkleidet und unter dem Namen Fidelio in den Diensten des Kerkermeisters Rocco, ihren im Verlies schmachtenden Gatten und Widerständler Florestan, rettet ihn unter persönlichen Einsatz vor den Mordgelüsten des Gouverneurs Pizarro. Der Erfolg des „Fidelio“ stellte sich, kaum glaublich, erst allmählich ein. Lag es daran, dass die Oper zwischen Singspiel, opernhafter Sinfonie und Oratorienhymnus changiert?!

Beste Voraussetzungen also, sie zum Saisonfinale der vierteiligen Sinfoniekonzertreihe des Neuen Kammerorchesters Potsdam unter Leitung von Ud Joffe am Donnerstag in der Erlöserkirche konzertant in pseudohalbszenischer Aufmachung aufzuführen. In einer gekürzten Fassung vom Trägervereinsvorsitzenden Christian Seidel, die sich auf die Gefängnispersonage konzentriert und das Erscheinen des Böslings Pizarro sowie des Gutmenschministers Don Fernando ausspart. Deren konfliktbefördernden bzw. -lösenden Aktionen werden stattdessen von einem die Handlung erzählenden und aus heutiger Sicht kommentierenden Sprecher (K. Dieter Klebsch) vorgetragen. Bei dieser Seidelschen Reduktion fallen leider handlungswichtige Arien wie die mordlustige Pizarro-Arie oder die Finalansprache des Ministers dem Rotstift zum Opfer. Was bleibt ist eine hitlistige Nummernfolge.

Dazu ist der Altarraum durch eine gazeartige Gardine vom Kirchenschiff getrennt, hinter der schon während der unsauber gespielten und durch verpatzte Einsätze außerordentlich ohrenunfreundlich musizierten Ouvertüre der Gefangenenpulk sichtbar wird, der später bei geöffneten Vorhang den berühmten Chor anstimmt und den Männerstimmen der schlagkräftig und sehr sauber singenden Potsdamer Kantorei das beste Zeugnis ausstellt. Zusammen mit den nicht minder professionell tönenden Frauenstimmen erklingen die finalen Jubelchöre von den Seitenemporen aus. Die Bögen der Seitenschiffe sind durch gemalte Gitterstäbe verhangen, sodass sich das Publikum wie im Hof des Staatsgefängnisses fühlen soll. Als kleinbürgerlicher Kerkermeister Rocco weiß Raimund Nolte mit seinem kraftvollen, voluminös tonen Bass sehr für sich einzunehmen. Dagegen weiß Esther Hilsberg als Marzelline mit ihrem ausdruckslosen und ungeschmeidigen Sopran kaum von Liebes- und sonstigen Gefühlen zu künden. Carlos Petruzziello (Jaquino) ist mit seinem lyrisch-leichten Tenor nicht mehr als eine Füllstimme für die Ensembleszenen. Zunächst ohne inneren Gefühlsaufruhr versteht es Bibiana Nwobilo (Leonore) zunehmend, ihre Figur mit Leben zu erfüllen Leidenschaftslodernd und intensiv gestaltet Carsten Süss mit heldentenoralem Aplomb den Florestan. Stahl- und strahlkräftig jubelt seine Stimme über sämtliche Orchester- und Chorattacken des Finales: „O Gott, welch ein Augenblick“. Entsprechender Beifall lohnt den Abend. Peter Buske

Peter Buske

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