Kultur: Wer sich schämt, hat schon verloren Der Comedian Griesbach auf dem Theaterschiff
Eine am Montagabend bereits auf dem Weg zum Theaterschiff vage anklingende Befürchtung wurde in der Realität noch übertroffen. Weihnachtsfeieralarm!
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Eine am Montagabend bereits auf dem Weg zum Theaterschiff vage anklingende Befürchtung wurde in der Realität noch übertroffen. Weihnachtsfeieralarm! Die vom Potsdamer Theaterschiff angekündigte Veranstaltung „Griesbach live(!)“ mit dem Berliner Comedian Robert Griesbach war kurzerhand komplett für eine Firmenweihnachtsfeier gebucht worden. Das hier musste das Aschenputtel-Gefühl sein – fremd und unauffällig gemustert von einer Gemeinschaft, die tagtäglich miteinander umgeht. Mitarbeiter, die bereits recht bierlaunig waren, als das Programm etwas verspätet seinen Anfang nahm.
Der Künstler, den man regelmäßig bei den Berliner Wühlmäusen sehen kann und der lange die Synchronstimme von Mister Bean war, konnte der Verlockung nicht wiederstehen und frotzelte ein wenig mit dem Geschäftsführer, den er sofort als solchen erkannte, hegte Sympatie für Ulrike in der ersten Reihe und entblößte rücksichtslos peinlich berührte Mitarbeiter, die sich scheinbar wünschten, im Boden zu versinken, um nur nicht von Griesbach angesprochen und aktiv in den Abend einbezogen zu werden. Der Wunsch wurde ihnen leider nicht erfüllt. Der Entertainer rannte immer wieder fröhlich ins Publikum, während er Opern- oder Popsongs nutzte, um diese, etwas zweck-und textentfremdet zu benutzen: als Werbung für ein Deo oder in der Rolle von Günther Wuttke, einem sexbombenhaften Hausmeister, der in die Rolle des unwiderstehlichen James Bond der Berliner Hinterhöfe schlüpft.
In Rollen schlüpft Griesbach überhaupt sehr gern. Eine italienische Großmutter, die generell in brenzligen Situationen zum Weglaufen rät, ein frischgebackener Nichtraucher mit nervösen Ticks, der sich in der Pointe als Chirurg outet oder ein indischer Kellner, der übers Punktesammeln philosophiert und sich in Flensburg vorstellt, um sich dort für seine fleißig gesammelten Punkte im Bußgeldkatalog was richtig Schönes auszusuchen, bevölkern das Programm, alle mit Hilfe weniger Accessoires zum Leben erweckt. Auch fehlende Aktualität kann man dem Künstler nicht vorwerfen, denn dem Geburtstagskind des Tages, Johannes „Jopie“ Heesters wurde selbstverständlich ein Platz im Programm eingeräumt. Gut, dass dieser nicht unter den Gästen war. Die schamlose Parodie wäre ihm vielleicht auf den Magen geschlagen.
Das Publikum fand es lustig, auch wenn das ganz große Gelächter eher die Ausnahme blieb. Das Programm war tatsächlich ein wenig ohne Biss und wirkliche Spitzfindigkeit. Der auf den Song „Fever“ umgeschriebene Text über die ganz Berlin okkupierenden Hundehaufen entlockte den Gästen dann aber doch einige anerkennende Pfiffe und machte es möglich, dass die gleich im Anschluss folgende Parodie auf den vor vier Jahren beim Grand Prix de Eurovision zweitplazierten ukrainischen Song das Schiff glatt zum Wanken und die Stimmung auf den Höhepunkt brachte. „Eins, zwei, eins, zwei, drei“, zählten alle fröhlich mit und zählten die Veranstaltung so förmlich an ihr Ende, denn hier war Schluss und die Party musste im Vorraum weitergehen. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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