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Kultur: Wertvolle Unvollkommenheit

Mit Engagement und viel Spaß: Theater am Evangelischen Gymnasium in Hermannswerder

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Mit Engagement und viel Spaß: Theater am Evangelischen Gymnasium in Hermannswerder Schultheater ist immer ein Ereignis. Und egal von welchem Niveau das ist, was auf der Bühne stattfindet, allein die Erhöhung durch die Bühne und die Fremdheit durch Schminke und Kostüme macht bloße Schulkameradinnen, Söhne oder Töchter zu kleinen Stars. Alle sind aufgeregt und ausgelassen, ein bisschen frecher und selbstbewusster als sonst. Denn die Ausgestelltheit auf der Bühne ist zwar vielleicht etwas peinlich und verunsichernd, aber das Publikum jubelt und klatsch, und das macht Spaß. Pannen sind lustig und den bekannten Gesichtern im Publikum darf auch mal zugelächelt werden. Wenn grelles weißes Licht angeht und dann der Satz „Jetzt wird es schon dunkel“ fällt, stört das niemanden und bei dem vom Autor verzweifelt gemeinten Ausruf „Oh weh! Oh weh!“ lacht nicht nur das Publikum, sondern auch die Darstellerin. Die drei achten Klassen und eine siebte des Evangelischen Gymnasiums in Hermannswerder haben unter der Regie des Klassenlehrers Dirk Hergemöller „Das Gauklermärchen“ von Michael Ende (1929-1995) auf die Bühne gebracht. Unterstützt von den anderen Klassenlehrerinnen und -lehrern und vielen Eltern, kümmerten sich die Schüler und Schülerinnen um Musik, Technik, Kostüme, Bühne und Choreographie. Das „Spiel in sieben Bildern, sowie einem Vor- und Nachspiel“ erzählt von einer Gauklertruppe, die in Existenznöte gerät. Der Platz, auf dem das Zirkuszelt stand, das sie bereits versetzen mussten, soll von der Chemiefabrik bebaut werden. Schon drohen die Baumaschinen. Da kommt ein verlockendes Angebot aus der Fabrik: Die Gaukler sollen als Werbezirkus für den Chemiekonzern durchs Land ziehen. Allerdings ohne Eli, das behinderte Mädchen, das sie vor drei Jahren halbtot im Straßengraben aufgelesen hatten, nachdem jene entsetzliche gelbe Wolke aus der Fabrik entwichen war. Nach dieser etwas zähen, mit Vorgeschichte und Grundsituation beschwerten Anfangsszene, begann das Märchen, das der Clown Jojo (Jakob Kluchert) auf Wunsch von Eli (Jasmin Fink) erzählte. Nun ging es in Versen weiter, die sich nicht nur besser einprägen, wie ein Schüler bemerkte, sondern auch ein theatergerechteres Spiel ermöglichten. Die Spielenden überließen sich mit lauten deutlichen Stimmen dem Rhythmus der Verse und wurden von ihm vorangetrieben. In dem Märchen ist Eli die Prinzessin und Jojo der Prinz, die von der bösen Spinne Angramain voneinander fern gehalten werden. Eli ist nicht behindert und Jojo nicht versoffen und unzuverlässig. Mal ist die Bühne durch einen reflektierenden Vorhang aus Bändern das Spiegelschloss der unsterblichen Prinzessin Eli. Vom Zauberspiegel Kalophain (Caroline Marchot) auf der Erde eingefangene „Spiegelbilder“ machen Streetdance zu Michael Jacksons „The way you make me feel“ (das Publikum johlt). Die Prinzessin wirft ihre Unsterblichkeit weg, um den Prinzen auf der Erde zu suchen, dessen Spiegelbild sie gesehen hat. Dann ist die schwarze Bühne durch einen Thron in der Mitte der Saal des Prinzen. Sechs Mädchen, die hübschesten aus dem Morgenland, das der Prinz durch seine Fantasie geschaffen hat und nun regiert, tanzen vor ihrem Monarchen, der endlich heiraten soll (das Publikum johlt). Doch eine kühle höchst selbstbewusste Schöne, die böse Spinne, macht das Rennen (Mirka Fries, ein Theatertalent). Schnell hat sie den Prinzen eingewickelt: „Komm mit, dass ich dich küssen lehre.“ Der Kuss auf offener Bühne kommt erst später, wenn Prinz und Prinzessin sich gefunden haben. Zwar will der Prinz sich selbst und die Prinzessin erst nicht erkennen, doch ein Schlag auf den Gong setzt seine Liebe frei: „Du süßes Engelsgesicht“: Kuss. Zu zweit ist die böse Spinne und ihre Welt der Kälte, der Berechnung, der perfekten Automaten bald besiegt. Liebe und menschliche Unvollkommenheit sind stärker. Und als das Märchen zu Ende erzählt ist, stellen sich die Gaukler um ihre Eli, die ihrem Leben Sinn und Glanz verleiht, und lassen die lärmenden Baumaschinen kommen. Dem Projekt war anzumerken, wie engagiert und mit wie viel Spaß sich die Schülerinnen und Schüler des Evangelischen Gymnasiums hineingestürzt haben. Wobei man sie sicherlich noch etwas mehr aus der Reserve hätte locken können. D. Schnürer

D. Schnürer

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