Kultur: Wetterfühlig
Die Goldberg-Variationen in der Friedenskirche
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Gut, das Wetter macht sowieso was es will. Schlägt die schönsten Kapriolen zwischen Regen und Sonnenschein wie am Pfingstmontag. Man nimmt es hin mit einem Schulterzucken, sprintet durch die Regenschauer zur Friedenskirche und ist dann doch erstaunt, dass über 100 Musikfreunde den Weg ins Gotteshaus gefunden haben, das an diesem Nachmittag zum Konzerthaus wird. Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen stehen auf dem Programm, ursprünglich als „Clavierübung, bestehend in einer Aria mit verschiedenen Veränderungen“ verfasst, von Silke Strauf und Claas Harders nun für zwei Gamben arrangiert.
Schon die einführende „Aria“ zeigt, wohin diese Goldberg-Variationen gehen. Ein entschleunigter Bach mit dem großen Atem des Streichinstruments. Ein melancholische Grundtönung, die zur kontemplativen Hingabe verführt.
Ein Jahr lang haben sich Silke Strauf und Claas Harders in die Bearbeitung der Goldberg-Variationen, die als Höhepunkt barocker Variationskunst gelten, für zwei siebensaitige Bassgamben vertieft. Dabei ist ein musikalisches Kunstwerk entstanden, das Bach neu erleben lässt. Und während die 1. Variation unter den Händen von Silke Strauf und Claas Harders lustvolle Farbtupfer in die Friedenskirche setzt, donnert ein unentschlossenes Gewitter in grauen Wolken vor den Fenstern. Schon ist das Wetterchaos vergessen, lauscht man konzentriert und trotzdem entspannt dem wunderbar gelösten, sanft aufwühlenden Spiel dieser beiden Musiker.
Musikalische Glücksmomente, die Silke Strauf und Claas Harders an diesem Nachmittag auf den beiden wohltönenden und weithin tragenden Instrumenten, zwei Colichon-Nachbauten von Claas Harders Bruder Henner Harders, bescheren. Ob die tänzerische Virtuosität in der 5. Variation, die fast schon genussvolle Schwermut der 22. Variation oder das herrliche, so strahlende Pizzicato der 18. Variation – mit bestechender Leichtigkeit, herrlichem Ton und Raffinesse für die Details präsentieren sie ihre Auswahl aus den Goldberg-Variationen. Und man sitzt und genießt in vollen Zügen. Dann bricht sogar strahlendes Sonnenlicht durch die Kirchenfenster. Und für einen langen Moment möchte man glauben, dass nur Silke Strauf und Claas Harders der Grund dafür sein können. Dirk Becker
Die Goldberg-Variationen, eingespielt von Silke Strauf und Claas Harders, sind beim Label Raumklang erschienen
Dirk Becker
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