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Kultur: Wetterleuchten
Seltsames Spektakel für eine Nacht: Spannender als an herkömmlichen Orten
Stand:
Es ist schon ein Kreuz, wenn Kultur entweder auf Massenware reduziert oder als Konsumgut an Meistbietende verhökert wird. Aber es ist gut zu wissen, dass es immer noch Gegenströmungen gibt, die kulturelle Teilhabe nicht an Konstanten wie Eintrittspreisen, angesagten Locations oder Gesichtskontrollen am Einlass festmachen.
Es geht um nichts weniger als die Rückeroberung des öffentlichen Raumes, garniert mit einem Schuss Subversivität, wenn diese Räume zweckentfremdet und umfunktioniert werden. Und da bieten sich so einige Räume an, auch und gerade in Potsdam, welche auf den ersten Blick völlig profane Funktionen haben, aber – und das ahnt man manchmal gar nicht – hervorragend geeignet sind, auf eine völlig neue Weise genutzt zu werden. Es gehört aber auch dazu, dass man diesen Locations im normalen Leben ihre normale Funktion lässt. Von daher soll die explizite Erwähnung an dieser Stelle unterbleiben; es könnte quasi jede Lokalität gemeint sein.
Die junge Generation hat immerhin die besten Voraussetzungen: bestens vernetzt, jederzeit erreichbar, unabhängig – und sicherlich überfüttert davon, die wochenendliche Freizeit in festen, konsumorientierten Kanälen zu verbringen. Dieses Vakuum nutzt der Potsdamer DJ Kaypod aus, um Alternativen zu bieten. Wenn die Nacht zum Tag gemacht werden soll, sind spannendere als die herkömmlichen Orte gefragt. So sucht man eben im herkömmlichen Kulturkalender vergebens: Voraussetzung ist, ein Teil dieser Bewegung zu sein. Die Wurzeln sind zu recht in der Flashmob-Kultur auszumachen; es geht um kurzfristige, nicht öffentliche Bekanntgabe der Events, in Form von SMS, Social Networks oder dem herkömmlichen „Buschfunk“.
Und so fand man sich schließlich wieder, mitten in der Nacht, unbeeindruckt von gleichzeitig stattfindenden anderen Events und umzingelt von beeindruckendem Wetterleuchten einer warmen Sommernacht, die sich zusehends in ein Sommergewitter verwandelte und schließlich in erlösenden Regen gipfelte. Wenige Stunden vorher noch ein funktionelles Bauwerk, verwandelte sich der Ort schnell zu einem Treffpunkt des ausgelassenen Feierns. Seichte elektronische Musik, irgendwo zwischen Dancehall, House und World Music, waberte aus den Boxen und verlieh dieser Nacht den gebührenden Soundtrack. Es fühlte sich gut an, irgendwie richtig, es gab nichts zu kaufen oder zu verkaufen, nur Musik um der Musik willen von zwei großartigen DJs.
Mit Anbruch des Morgens verschwand dieses seltsame Spektakel schließlich genauso schnell, wie es gekommen war. Als die ersten Sonnenstrahlen herauskamen, war von dieser Nacht und ihren Menschen nichts mehr zu erahnen. Und der öffentliche Raum durfte sich wieder ganz seiner eigentlichen Bestimmung widmen.
Oliver Dietrich
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