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In der Offensive. TreeMen mit frischem Sound im Museum Fluxus.

© Andreas Klaer

Jazz-Festival an der Schiffbauergasse: What’s next?

Die „Jazzoffensive“ am Samstag in der Schiffbauergasse wurde zum Erfolg. Vielleicht wird nun sogar ein eigenes Festival daraus

Stand:

Mit Jazz hat man in Potsdam bislang keine eigene Szene in Verbindung gebracht. Keine öffentlich sichtbare, eingeschworene Gruppe mit eigenen Looks und Party-Reihen – auch wenn der Schlagzeuger Max Punstein mit seiner monatlichen „JazzTime“ in Babelsberg seit anderthalb Jahren ein Podium für Künstler und Fans etabliert hat. Vielleicht hat er damit den Hunger geweckt, denn als am Samstagabend die Schiffbauergasse in die „Jazzoffensive“ ging, kamen sie in Scharen. Und blieben.

Als um 22 Uhr das Frankfurter „Contrast Trio“ auf der großen Bühne der fabrik loslegte, war der Zuschauerraum noch immer gut gefüllt. Immer mehr – ausnahmslos lässig und gut gekleidete – Menschen drängten hinein, standen teilweise bis vorne am Rand der Bühne. Und fast allen sah man an, dass sie keine zufälligen Flaneure waren, keine Schaulustigen, sondern dass sie etwas von der Sache verstanden. Eine fiebrige, hochkonzentrierte Aufmerksamkeit schwappte zwischen ihnen und den Musikern hin und her.

Etwa 400 bis 500 Leute, schätzt Siegfried Dittler, sind zwischen den neun Konzerten hin- und hergependelt. „Das klingt nicht nach so viel, aber das ist schon ordentlich“, sagt der Waschhaus-Geschäftsführer. Die „Jazzoffensive“ war seine Idee – „aber alle haben sofort mitgemacht.“ Mit alle meint er tatsächlich alle sieben Veranstaltungshäuser der Schiffbauergasse, also fabrik, Hans Otto Theater, Theaterschiff, T-Werk, Waschhaus sowie die beiden Galerien Kunstraum und das Museum Fluxus.

„Außer ,Stadt für eine Nacht’ hatten wir ja bisher keine so gemeinsamen Aktionen – obwohl immer alle darüber reden“, so Dittler. Und es stimmt. In das öffentliche Gejammer, die Schiffbauergasse sei totsaniert und unbelebt, mischen sich immer wieder die „man müsste mal...“-Ideen der dort ansässigen Akteure. Dass es dabei nicht bleiben muss, sobald jemand mit einem konkreten Vorschlag um die Ecke kommt, haben sie jetzt bewiesen. „Jedes Haus hat sein Programm für die ,Jazzoffensive’ selbst zusammengestellt“, sagt Dittler. Und an jeder Kasse gab es für zehn Euro das orangefarbene Bändchen, das Einlass zu allen Konzerten garantierte. So simpel, so gut, dass Dittler schon davon träumt, das Ganze zu wiederholen, die „Jazzoffensive“ als eigenes Festival zu etablieren.

Denn – das muss man schon auch sagen – als Einzelveranstaltung hatte sich der Jazz an der Schiffbauergasse bisher nicht so durchgesetzt. Das räumt auch Dittler ein. „Aber wenn es so geballt kommt, zieht es offenbar doch ein großes Publikum.“ Das wurde dann am Samstag auch mit großer Vielfalt belohnt – was beim Jazz zugegebenermaßen keine große Kunst ist. So wie er selbst fast alle Sparten von Pop, Folk bis Elektro beeinflusst, verleibt er sich auch selbst immer wieder Neues ein, deshalb ist er ja seit über 100 Jahren ein so glühendes tanzendes Wesen. Auf der ständigen Suche nach einem frischen Sound sind auch TreeMen, das Trio um Max Punstein, das um 19 Uhr im Museum Fluxus loslegte.

Leider zeitgleich breitete der Soundtüftler und Drum Klub-Gründer Lars Neugebauer alias Ich und Lars im Kunstraum seine blubbernden und zischenden Klangkunst-Teppiche aus. Der 1979 in Potsdam geborene Neugebauer ist – musikalisch zumindest – ein alter Hase.

Noch jung ist hingegen das Brandenburger Quartett Saxton, das im T-Werk eine Kostprobe seiner feinen Mixtur aus Jazz-, Soul- und Blues- Stücken etwa von Gershwin, Thelonius Monk oder Joe Zawinul gab.

Dass sie singen kann, hat Christiane Hagedorn schon auf der Bühne des Hans Otto Theaters bewiesen, am Samstag machte mit ihrem Trio 67 einen Ausflug aufs Theaterschiff. Mit ihrem Programm „Paris-Warschau“ schwang das Trio sich selbst und die Zuhörer von französischen, jiddischen und polnischen Chansons zu Gypsy-Swing und über Chopin wieder zurück. Ganz anders – aber ebenfalls großartig – war Ginea Adi Wolf, die in der Reithalle des Hans Otto Theaters einen kleinen Einblick in ihr imposantes Repertoire, das von Nina Simone, Aretha Franklin bis Billie Holiday reicht, gab.

Ansonsten waren Frauen übrigens – nicht unbedingt auf den Bühnen, aber im Publikum – ziemlich unterrepräsentiert. Jazzhörer, so schien es zumindest beim Contrast Trio in der fabrik ziemlich deutlich, sind mal jung, mal alt – aber überwiegend männlich. Was schade ist, denn dieses treibende, flirrende, hochenergetische Spiel zwischen Piano (Yuriy Sych), Kontrabass (Tim Roth) und Drums (Martin Standke), war einfach unwiderstehlich. Mühelos wechselte das Trio von klaren Melodien zu subtilen elektronischen Effekten, mal ließ es osteuropäische, mal orientalisch anmutende Elemente einfließen – aber immer auf diesem hohen energetischen Level, weit davon entfernt, in nachdenkliches Geplänkel zu verfallen.

„Unser nächstes Stück heißt ,What’s next?’ und hat damit zu tun, dass man nicht weiß, was als nächstes passiert“, kommentiert Yuriy Sych trocken. Denn das ist ja irgendwie immer der Clou, das, was den Jazz – anders als fast alle anderen Stile – so aufregend macht.

Da bleibt am Ende nur, die Frage nach diesem erfolgreichen Abend auch an die Schiffbauergasse zu richten: What's next? 

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