zum Hauptinhalt

Kultur: Wichtig ist der eigene Ton

Bettina Abarbanell übersetzte Jonathan Franzens Erfolgsroman „Die Korrekturen“

Stand:

Bettina Abarbanell übersetzte Jonathan Franzens Erfolgsroman „Die Korrekturen“ Von Dirk Becker An die 300 000 Mal wird er sich mittlerweile in deutscher Übersetzung verkauft haben, der Erfolgsroman „Die Korrekturen“ des Amerikaners Jonathan Franzen. Vielleicht hat das Weihnachtsgeschäft die Zahl sogar noch höher getrieben. Viele werden die verrückten, aber eigentlich alltäglichen Geschichten der Familie Lambert mit großer Spannung verfolgt haben. Und die meisten schüttelten sicher irgendwann nur noch den Kopf über die scheinbare Leichtigkeit, mit der Franzen hier ein fast komplettes Bild unserer facettenreichen Gesellschaft von Börsenboom, Bioethik über Kulturkritik, Computertechnologie bis hin zur Pharmaindustrie anhand dieser Familie Lambert zeichnet. Aber nur wenige werden sich für den Namen interessiert haben, der gleich auf der zweiten Seite unter dem des Autors steht. Der Name der Übersetzerin. Bettina Abarbanell sieht das sehr gelassen. Sie weiß, dass sich meist nur Leute aus der eigenen Branche wirklich für den Namen des Übersetzers interessieren. Und damit kann sie sehr gut leben. Wer ein Buch übersetzt, der wird meist immer im Schatten des Autors stehen. Bis auf einige Ausnahmen, wie Swetlana Geier, die mit ihren Neuübersetzungen von Fjodor Dostojewskij Maßstäbe setzte. Der Erfolg von Franzens Roman hier in Deutschland, der sei vor allem die Bestätigung für Bettina Abarbanell, dass sie gute Arbeit geleistet habe. Im Mai 2001 bekam sie über Alexander Fest, vom gleichnamigen Verlag, das Manuskript „The Corrections“. Und während sie, wie sie es selbst bezeichnet, an den Sätzen herum laborierte, erschien der Roman im September in den USA und wurde ein voller Erfolg. Das erhöhte den Druck auf ihre Arbeit. Der Verlag drängte nun auf einen früheren Termin. Nicht erst im Herbst 2002, sondern schon zum Sommer sollte der Roman in deutscher Übersetzung erscheinen. Den Erfolg in den USA, der in Deutschland die Neugier an Franzen geweckt hatte, wollte der Verlag nutzen. Hinzu kam, dass Bettina Abarbanell wusste, wie wichtig eine gute Übersetzung für den Erfolg eines Buches ist. Dieser Druck, den auch ihr Mann und die drei Kinder zu spüren bekamen, sei einerseits belastend, andererseits aber auch reizvoll gewesen. Von Franzens Sprache war sie sofort begeistert. Als Übersetzerin erkenne man sprachliche Unegelmäßigkeiten, die einen Text stören. Bei Franzen war das nie der Fall. Dieses Erzähltalent und gleichzeitig der Anspruch des Autors, einen Roman mit Tiefgang zu schreiben, so Bettina Abarbanell, werden wohl die Hauptgründe für den Erfolg „Der Korrekturen“ sein. Hinzu kommt, dass Franzen Mitgefühl mit seinen verschrobenen Figuren zeigt, und dieses Mitgefühl auf den Leser zu übertragen versteht. Dass dies auch im Deutschen gelang, daran hat sie hart gearbeitet. Übersetzung, das ist nicht einfach nur die Übertragung einer Sprache in eine andere. All“ die Feinheiten, Anspielungen, das Individuelle der Figuren und vieles mehr gehören dazu. Und oft genug stieß sie dabei an die sprachlichen Grenzen. Da ist zum Beispiel das Wort „fall“. Im Englischen steht es für „Herbst“ und gleichzeitig für „fallen“. „In Franzens Roman ist oft die Rede von fallenden Aktienkursen oder vom Verfall der Werte. Dann fällt Alfred Lambert auch noch von dem Schiff, das gerade auf einer Herbstkreuzfahrt unterwegs ist. Das alles erklärt Franzen mit dem doppeldeutigen Wort fall““, erläutert Bettina Abarbanell. Im Deutschen gibt es kein Äquivalent für dieses Wortspiel. Doch trotz dieser und anderer Schwierigkeiten, zu denen unter anderem die zahlreichen Fachwörter gehörten, ist Bettina Abarbanell eine hervorragende Übersetzung gelungen. Dass sie im ständigen Kontakt mit Jonathan Franzen stand und dieser für jede Frage ein offenes Ohr hatte, wird ein Grund dafür gewesen sein. Ein anderer, der wohl ausschlaggebende, war sicher der persönliche Ton, den, nach Bettina Abarbanells Meinung, jeder guter Übersetzer haben sollte. Ein Gespür für die Sprache und die Figuren, in die sich der Übersetzer einfühlen muss. Eine Art Feinschliff, der erst aus einer Übersetzung eine Erzählung, einen Roman macht. Auf Umwegen kam Bettina Abarbanell zu ihrer jetzigen Tätigkeit. 1961 in Hamburg geboren, ging sie nach ihrem Studium der Amerikanistik und Romanistik in Tübingen und Maryland/Washington nach Frankfurt am Main. Dort war sie als Lektorin im Athenaion-Verlag tätig und übersetzte hier 1989 ihr erstes Buch. Eine medizinische Publikation mit dem Titel „Andere Länder, andere Leiden“. Und obwohl sie merkte, dass ihr diese Arbeit mit Texten am meisten lag, nahm sie ihrer Kinder wegen erst einmal eine Auszeit und arbeitete bis 1995 weiter als Lektorin. Seit sieben Jahren lebt sie nun mit ihrer Familie in Potsdam. Sie hat in dieser Zeit unter anderem die Memoiaren „Über dem Abgrund“, von Herbert A. Strauss übersetzt, der als Jude seine gesamte Familie in nationalsozialistischen Konzentrationslagern verlor. Durch Alexander Fest vermittelt, übersetzte sie „Engel“ und „Schon tot“ des Amerikaners Denis Johnson, ein Autor, an dem sie die unglaublich poetische Sprache schätzt. „Ein Mann, der mit allen Wasser gewaschen ist und ganz tief in der menschlichen Seele gräbt.“ Den Roman „Die 27ste Stadt“, ein früheres Werk von Franzen, auch diesen hätte sie übersetzten können. Doch nach der harten Arbeit an „Die Korrekturen“ nahm sie sich erst einmal Zeit für die Familie und beließ es bei überschaubaren Übersetzungen wie die Kurzgeschichten der vielversprechenden amerikanischen Autorin Julie Orringer und ein 80 Seiten kurzes Werk von Johnson. Aber eine Option hält sie sich offen. Jonathan Franzen soll schon an seinem nächsten Roman arbeiten. Ob er dafür über acht Jahre wie an „Die Korrekturen“ brauchen wird, das weiß Bettina Abarbanell nicht. Aber für die Übersetzung dieses Romans, für die hat sie sich schon vorgemerkt.

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })