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Kultur: Wider die Gleichgültigkeit

Tag der Bücherverbrennung: Bild für Bibliothek

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Tag der Bücherverbrennung: Bild für Bibliothek Die deutsche Öffentlichkeit hat die Kampagne der NSDAP gegen politisch unbequeme und jüdische Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler mit wenigen Ausnahmen ohne Widerspruch hingenommen. Den 10. Mai 1933. Den Tag der Bücherverbrennung. 40 000 Menschen kamen damals am Berliner Opernplatz zusammen, um Zeuge zu werden, wie nationalsozialistische Studenten „undeutsche“, „nichtarische“, „zersetzende“ und „volksfremde“ Literatur ins Feuer warfen. Werke bedeutender deutscher Schriftsteller, Thomas Mann und Heinrich Mann, Erich Kästner, Kurt Tucholsky. 10 000 Tonnen Literatur aus öffentlichen Bibliotheken wurden beschlagnahmt, erklärt Sybille Weber von der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam. „Heute stehen die damals verfemten Werke wieder in den Regalen. Viele von ihnen sind Weltliteratur“, sagt sie. Seit gestern hat die Potsdamer Bibliothek ein Werk mehr, das an den dunklen Tag in der deutschen Geschichte erinnert. Die Berliner Künstlerin Beatrice Schneidereit hat dem Haus eine Dauerleihgabe übergeben, ein großformatiges Gemälde mit dem Titel „Deutschland, Bleicher Vater“, das nun in der Artothek in der ersten Etage ausgestellt ist. Es zeigt einen kahlköpfigen dicken Mann mit ausdruckslosem Mund und leeren Augenhöhlen, anstatt Pupillen sind sie mit einem Fernseher beziehungsweise einem Haufen Raketen gefüllt. Im Bildhintergrund gehen Bücher in einem Feuer auf. Ein Werk aus ihrer Frühzeit, erklärt die 1938 geborene Künstlerin. Sie habe einen rundlichen, voll gefressenen Menschen abgebildet, nach dem Vorbild eines Helmut Kohl oder Franz Josef Strauß. Da habe sie sich nicht festlegen wollen. „Wir machen so weiter wie vorher“, hat sie damals gedacht – und denkt es auch heute noch. „Die Gleichgültigkeit gegenüber der NS-Vergangenheit ist unerträglich“. Den Titel hat sie in Anlehnung an das Brechtgedicht „Deutschland, Bleiche Mutter“ gewählt. Als Beitrag für den Berliner Maisalon 1983, einem Wettbewerb der anlässlich des 50. Jahrestages der Bücherverbrennnung ausgeschrieben wurde, hat sie das Bild geschaffen. Einen Preis hat sie dafür nicht erhalten, erzählt sie. Auch sonst ist die realistisch gemalte politische Auseinandersetzung eine absolute Ausnahme im Schaffen von Beatrice Schneidereit geblieben. Gewöhnlich malt sie abstrakt, musikalische oder Naturlandschaften. Das Thema ihres 22-jährigen Gemäldes allerdings liegt ihr heute mindestens genauso am Herzen wie damals, sagt sie. Mit der großen Gleichgültigkeit sei es nicht besser geworden. M. Hartig

M. Hartig

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