Kultur: Wie ein einziges Instrument Das El Camino Youth Symphony Orchestra
Im ersten Online-Orchester der Welt, das letztes Jahr in New York erstmals live auftrat, spielte nur ein einziger Deutscher, leider nicht aus Potsdam. Doch zu den aus über 3000 Bewerbern weltweit online erwählten 96 Musikern gehörte die siebzehnjährige Geigerin Hannah Tarley.
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Im ersten Online-Orchester der Welt, das letztes Jahr in New York erstmals live auftrat, spielte nur ein einziger Deutscher, leider nicht aus Potsdam. Doch zu den aus über 3000 Bewerbern weltweit online erwählten 96 Musikern gehörte die siebzehnjährige Geigerin Hannah Tarley. Sie trat am Mittwoch im Nikolaisaal mit dem Violinkonzert von Felix Mendelssohn-Bartholdy auf. Ihre großartige Interpretation zeigte, welch neue Wege Musiker heutzutage gehen. Wie hoch das musikalische Niveau international schon bei der Jugend steht, bezeugte das El Camino Youth Orchestra, das seit einigen Jahren freundschaftliche Beziehungen zum Jugendsinfonieorchester der Städtischen Musikschule Potsdam unterhält.
Im Vergleich zu dem großen Orchester aus Kalifornien wirken die Potsdamer bescheiden. Sie sind ja auch, gerade bei den Streichern, nur knapp besetzt, aber sie geben unter der Leitung von Jürgen Runge beim „Großen Marsch“ aus Wagners „Tannhäuser“ ihr Bestes. Erneut fallen die Bläser mit weichem Ansatz und guter Intonation auf. Auch unter den Streichern sitzen hervorragende junge Musiker, die besten dürfen anschließend bei der El Camino Youth Symphony mitmachen.
Auf der Bühne des Nikolaisaals ist kein freier Platz mehr übrig. Weit über 100 junge Musiker spielen Mendelssohn und Tschaikowsky auf höchstem Niveau. Das El Camino Youth Orchestra ist ein Phänomen und ein Beispiel für hervorragende musikalische Jugendarbeit. Über 450 Schüler aus mehr als 100 Schulen im Raum San Francisco spielen in fünf Orchestern und vier Ensembles. Nur die allerbesten können an der alle zwei Jahre stattfindenden großen Tournee teilnehmen. Sie führte diesmal nach Polen, sowie nach Potsdam und Leipzig. Die treibende Kraft des Unternehmens, Camilla Kolchinsky, ist eine Absolventin des Moskauer Konservatoriums und der Musikakademie von St. Petersburg. Ihrem feinnervigen Sinn für Melodie und Rhythmus, ihrer klassischen russischen Musikausbildung ist wohl nicht zuletzt das hohe Niveau des El Camino Youth Orchestras zu verdanken. Das zeigte sich zuerst bei ihrer sensiblen Leitung von Mendelssohns Violinkonzert e-Moll.
Das Orchester spielte mit einem Maximum an symphonischem Wohlklang, wohldosierten dynamischen und rhythmischen Bewegungen. Mit ihrem fantastischen Solo gewann Hannah Tarley rasch die Zuneigung des Publikums. Sie verfügt über makellose Technik, springt und gleitet butterweich über die Saiten, spielt vibratoreich, silbrig, elegisch, gesanglich im zweiten Satz und frappiert im Finale mit ausgefeilten Bravourstückchen.
Ein Prüfstein für jedes Orchester sind die Sinfonien von Peter Tschaikowsky mit ihren musikalischen Finessen. Bei den steten Wechseln von Harmonien, Rhythmen und Techniken, Tutti- und Solopassagen zeigte sich die Klangkultur des El Camino Youth Orchestras aufs Feinste. Wie eine bunte Spielwiese der Töne und Klänge wirkte der erste Satz, ein glitzernder Winternachtsballtraum der zweite Satz, meisterhaft das ostinate Pizzicato des dritten Satzes, das alle Streicher wie ein einziges riesiges Zupfinstrument wirken lässt. So etwas gibt es nicht alle Tage im Nikolaisaal zu hören, schon auch, weil der bei solch einem Orchesterapparat an seine bescheidenen Grenzen gerät. Das zeigte sich im letzten Satz mit seinen viele Fortissimo-Schlägen und Fanfaren. Begeisterter Applaus belohnte die beeindruckende Leistung. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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