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Kultur: Wie ein Staatsstreich zustande kommt Patricio Guzmáns Film „Die Schlacht um Chile“ im Filmmuseum

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„Allende, Allende – el pueblo te defiende“ – „Allende - das Volk verteidigt dich“ skandierten die Menschen lauthals in Chile am dritten Jahrestag der sozialistischen Regierung. Da waren es bis zu ihrem gewaltsamen Sturz unter Führung von General Pinochet nur noch sieben Tage. Wie es zu diesen tragischen Ereignissen gekommen ist, zeigt der einzigartige Dokumentarfilm „Die Schlacht von Chile“ von Patricio Guzmán, den das Filmmuseum Potsdam im Rahmen der Filmreihe „Verlorene Erinnerungen“ präsentierte. Das „faszinierende sozialistische Experiment“ der Regierung der Unidad Popular war von Anfang an mit der Kamera begleitet worden. Nicht nur bei Guzmán, auch bei zahlreichen anderen jungen Filmemachern hatten die gesellschaftlichen Veränderungen im Andenland einen außergewöhnlichen Kreativitätsschub ausgelöst. Wie der Lateinamerika-Film-Experte Peter B. Schumann im Filmmuseum Potsdam bemerkte, war die Filmproduktion in Chile während der Allende-Regierung um das Dreifache erhöht. Nach dem Putsch verschwanden nicht nur viele Menschen in Chile, sondern auch die Kinematographie. Die von der Militärregierung eingeführte Zensur blieb offiziell bis zum letzten Jahr gültig, auch wenn sie seit der Phase der Redemokratisierung allmählich lockerer gehandhabt wurde. Innerhalb von 20 Monaten hatte Patricio Guzmán den bis dato einmaligen Versuch gefilmt, eine kommunistische Utopie in einer demokratischen Gesellschaft zu verankern, eine Idee, die auch ihn beflügelte. Am Tag des Putsches verbrauchte er die letzte Filmrolle, anschließend wurde er inhaftiert. Nach seiner Freilassung ging er, wie rund eine Million Chilenen, ins Exil. Seinen fast fünfstündigen Dokumentarfilm konnte er in Kuba fertigstellen. Der mittlere des dreiligen Opus magnus von Patricio Guzmán zeigt das dramatische Ringen um den Bestand der demokratisch gewählten Regierung, die zunehmend in Bedrängnis gerät. Im Parlament, im Fernsehstudio, bei Versammlungen und vor allem auf der Straße ist der Filmemacher mit dabei. Eine Fülle von Fakten, die aus dem Off präsentiert werden, verbindet sich mit zahlreichen Äußerungen der Akteure. Wie eine düstere Prophezeiung erscheint zu Beginn ein Filmabschnitt, in dem ein argentinischer Kameramann bei einem Aufstand seinen eigenen Tod gefilmt hat. Versuche, die Opposition an der Exekutive zu beteiligen, scheiterten. Zeitgleich bereiten Teile des Militärs und andere den Staatsstreich schon mit allen Mitteln vor. Die problematische Versorgungslage in Chile, der Streik der Spediteure, die vom CIA unterstützt worden sind, das Attentat auf den Marineadjudant Arturo Arrayo Peters, der ein Vertrauter von Allende war, werden ebenso erwähnt wie die Widersprüche und Zerwürfnisse innerhalb der linken Parteien. Allendes Vorschlag, den Notstand auszurufen, wird im Parlament abgelehnt, und noch während die Priester für den Frieden beten, beginnen die Militärs mit Razzien auf der Suche nach Waffen bei den Arbeitern in den besetzten Fabriken. Auch die Ernennung von General Prats zum Verteidungsminister hatte nichts genützt, Agression und Angst wachsen von Tag zu Tag mehr an. Bei einem der vielen erregten Menschenaufläufe hält jemand ein kleines Schild hoch, auf dem steht: „Presidente, por favor renuncie“ - „Präsident, bitte tritt zurück“ - umsonst, denn das, was viele geahnt hatten, aber keiner glauben wollte, trifft ein. Am Morgen des 11. September 1973 beginnt die Armee mit Kriegsschiffen, Flugzeugen und Panzern den Staatsstreich. Salvador Allende, der schon Monate vorher vorausgesagt hatte, dass er die Treue des Volkes mit seinem Leben bezahlen würde, verlässt den schwer bombardierten Regierungspalast nicht mehr. Er blieb seiner patriotischen Verpflichtung treu – und verlor dabei sein Leben. In der ältesten repräsentativen Demokratie Lateinamerikas senkte sich danach für lange Zeit ein eiserner Vorhang nieder. Babette Kaiserkern Patricio Guzmán kommt gemeinsam mit der Regisseurin von „Pinochet“s Kinder“, Paula Rodriguez, am 20. September, um 19.30 Uhr, zu einem Gespräch ins Filmmuseum.

Babette Kaiserkern

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