Kultur: Wie ein Wirbelsturm
Disco Ensemble im Waschhaus
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Was wäre wohl passiert, wenn diese wie ein Wirbelsturm daher kommende Band vor lediglich einer Hand voll Zuhörern gespielt hätte? Ihre Energie wäre wahrscheinlich förmlich im Raum verpufft.
Doch glücklicherweise bleibt solch ein Szenario nur Hypothese und der Saal des Waschhauses war am Mittwoch sehr gut gefüllt mit extrem aufgeschlossenen Fans, die die Energien des Frontmanns von Disco Ensemble vom ersten Song an aufnahmen und bis in die hinteren Reihen trugen. Einem Trugschluss sitzt der auf, der den Bandnamen missdeutet und jetzt vermutet, es würde sich hier um hübsch arrangierten 80er-Jahre-Sound handeln. Die vier Jungs aus Finnland, die bereits in ihrer Schulzeit den Grundstein ihrer Musikkarriere legten und schnell einen kometenhaften Aufstieg erfuhren, haben ihren Namen mit Kalkül gewählt und foppen die, die lediglich aus Neugierde zu ihren Shows kommen.
Denn statt Disco gibt es einen Mix aus ordentlich Punk und Metal und Indie und Rock auf die Ohren und der verwandelt jeden Saal in einen Hexenkessel. So auch das Waschhaus, das, so wurde schnell deutlich, zu größten Teilen mit eingefleischten Fans gefüllt war, die in den ersten Reihen standen, angestachelt die Fäuste schüttelten, mitsangen und wild mit Sänger Miikka Koivisto im Takt sprangen. Und der war tatsächlich ein unglaubliches Energiebündel, das keine Aufwärmphase brauchte, sondern bereits von Konzertbeginn an alles gab, wie aufgezogen auf der Bühne umhersprang und laut seine Hymnen in die Welt schrie.
So etwas kann leicht lächerlich wirken, doch Miikka Koivisto war nicht nur mit einer charismatischen Stimme gesegnet, die streckenweise an die Strokes erinnerte und in den heftigen Punkphasen etwas von Rage Against The Machine hatte. Er überzeugte auch mit einhundert prozentiger Lust an der eigenen Musik.
Seine Bandkollegen standen ihm dabei in nichts nach. Immer wieder läuteten Schlagzeuger Mikko Hakila und Bassist Lasse Lindfors kraftvoll und melodisch die Songs ein, bevor Jussi Ylikoski an der Gitarre mit einfiel und der Saal plötzlich randvoll war mit Sound und Stimme, die zu hymnischem Mitsingen forderten und mit Leichtigkeit davon überzeugten, dass hier eine Band stand, die bereits auf großen Festivals gespielt hatte. Etwas seltsam wirkten nur die Pausen zwischen den Liedern, in denen die Musiker kaum mit dem Publikum kommunizierten und in denen es so immer wieder zu merkwürdig stillen Momenten kam, die in starkem Kontrast zu den Songs standen, die geräuschvoll und fordernd dagegen hielten.
Die Fans ließen sich davon nicht irritieren. Sie nutzten die Chance, die Band zu feiern, zu befeuern und sich lautstark Songs zu wünschen. Aber wie heißt es so schön? Das ist doch hier kein Wunschkonzert! Und so behielten Disco Ensemble ihren eigenen Kopf, spielten, worauf sie Lust hatten und überraschten neben viel konventionell Komponiertem immer wieder mit perfekten kleinen Arrangements wie „So cold“, das es glücklicherweise in die Zugabe schaffte. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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