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Kultur: Wie eine Frischzellenkur

Collegium Marianum in der Friedrichskirche

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Taufrische Noten verlangt nicht nur Friedrich II. Auch an anderen Höfen sind sie heiß begehrt. Zeitgenössische Musik also, die Herz und Hirn gleichermaßen zu erfreuen versteht. Wir Heutigen haben sie fein säuberlich katalogisiert und in Schubladen abgelegt. Obwohl nun als alte Musik oftmals geringschätzig abgetan, erfreuen wir uns nach wie vor an ihren vielfältigsten Empfindungen und Gefühlen, ihrem untrüglichen Sinn für Genuss und Unterhaltung. Ganz im Gegensatz zu mancherlei Zeitgenössischem der Gegenwart, das sich bewusst gegen die Verbreitung von Wohlbehagen stemmt. Doch das breite Publikum und die abendlichen Kassenrapporte wissen, wo man sich besser aufgehoben fühlen kann. In der Friedrichskirche in Babelsberg beispielsweise, wo es am Sonntag mit dem Musikfesttage-Auftritt des Prager Collegium Marianum unter Leitung der Traversflötenkönnerin Jana Semerádová böhmisches Musikantentum in Vollendung zu erleben gab.

„Boemo furioso“ nennt sich das Programm mit Werken jener Tonkünstler, die ob ihrer sprichwörtlichen Musikalität die Musenhöfe halb Europas mit entsprechenden Fachleuten versorgen. In Friedrichs Hofkapelle sind es die Brüder Benda: darunter der Geiger und spätere Kapellmeister Frantiek (Franz) sowie der Kammermusikus Jirí Antonin (Georg Anton), später am Hofe von Sachsen-Gotha tätig. Aus dessen Oper „Der Jahrmarkt“ erklingt die Sinfonia G-Dur „Alla Polacca“: Berstend vor Lebendigkeit und Frische, ohne Schärfeleien oder Ruppigkeiten der stilkundig gehandhabten historischen Instrumente, einschließlich der erforderlichen Ein- und Nachstimmarbeiten. Dabei wird genauso wenig auf ein sorgsam eingesetztes Vibrato verzichtet wie auf terrassendynamische Akzente, was für weitere ausdrucksvolle Intensität sorgt. Eine Frischzellenkur für alle spätbarockakademisch verkleisterte Ohren! Von ihr profitiert auch die D-Dur-Sinfonia von Frantiek Xaver Richter, in der sich auf unterhaltsame Weise Forsche mit Empfindung vereint.

Tritt die Flötistin in beiden Stücken als Tuttispielerin in die zweite Reihe, steht Jana Semerádová als Solistin der Konzerte für Traverso und Orchester von Frantiek Jiránek und Frantiek Benda im Mittelpunkt des musikalischen Geschehens. Ihr Atem geht kraftvoll anhaltend durch das Blasrohr, erzeugt eine stabil schwingende Luftsäule, die leuchtende, im Lyrischen sehr empfindsam und sauber intonierte, mitunter auch sehr durchdringende Flötentöne zu erzeugen versteht. Und wenn dazu sordinierte Streicher treten, ergeben sich aus solcher Konstellation reizvolle Klangkonstellationen, die den Ohren zu schmeicheln verstehen. In den Adagio-Sätzen begeistert sie mit schwebender Empfindsamkeit. Lustvoll, mit sicht- und hörbarer Freude geht man miteinander um, hört einander zu – ein ausgewogenes, über die Jahre organisch gewachsenes Ensemblespiel. In dieses ist auch Fagottist Sergio Azzolini, noch immer Liebling der Potsdamer Musikfreunde, einbezogen. In Frantiek Jiráneks g-Moll-Konzert kann er mit kurz phrasiertem Redetonfall voller Intensität oder in virtuosen Stakkatoattacken überzeugen. Und auch im g-Moll-Quartett von Jan Antonin Reichenauer bläst er wie auf dem Sprung, wovon sich Lenka Koubková (Violine) und das Basso continuo zu ähnlichem Mitspiel verführen lassen. Wie spannend und modern doch alte Musik sein kann! Peter Buske

Peter Buske

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