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Kultur: Wie eine singende Gitarre Blues-Musiker Dr. Slide im Café Rothenburg
Fahrende Waggons, weite Landschaften, Lagerfeuer und singende Männer mit Filzhüten. Diese Bilder, die aus amerikanischen Filmen stammen könnten, entfalten sich vor dem inneren Auge, während man der Musik des kleinen bärtigen Mannes lauscht.
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Fahrende Waggons, weite Landschaften, Lagerfeuer und singende Männer mit Filzhüten. Diese Bilder, die aus amerikanischen Filmen stammen könnten, entfalten sich vor dem inneren Auge, während man der Musik des kleinen bärtigen Mannes lauscht. Er könnte selbst einem dieser Streifen entstiegen sein. Auch sein Name steht für diesen „American Spirit“, dem der ehemalige Potsdamer am vergangenen Freitagabend im Café Rothenburg huldigte. Er nennt sich Dr. Slide und seine Doktorwürde hat er sich durch Leidenschaft und schnelle Finger erspielt.
Manchmal braucht es nur einen Song im Radio, damit ein Schicksal in Bewegung gesetzt wird. So war es auch bei Axel Hümbert. Als kleiner Junge hörte er einen Song von Muddy Waters, einem der Legenden des Blues. Diesem Sound ist er als junger Erwachsener in die Vereinigten Staaten bis ins Mississippi Delta nachgereist. Viele Jahre hat er dort verbracht, um bei den Großen zu lernen und mit ihnen Musik zu machen.
Dr. Slide ist kein gewöhnlicher Gitarrist, das sieht man sofort an seiner Gitarre. In der Mitte ist der Klangraum aus Metall. Ein Tricone-Modell. Typisch für Country und den Blues. Von der Art, wie man diese Slide-Gitarren spielt, hat auch Dr. Slide seinen Namen bekommen. Ein kleines metallenes Röhrchen, das er sich über den kleinen Finger der linken Hand geschoben hat, gleitet beim Greifen der Töne über die Saiten und erzeugt den besonderen metallenen Klang. Das Röhrchen nennt man Bottleneck – Flaschenhals. Wie so oft, ist diese Spielweise irgendwann einmal aus Pragmatismus entstanden. Ebenso ist es mit dem „Steel“, einem geraden Stück Metall, das auf die Seiten gelegt wird, anstatt die Akkorde zu greifen. Früher nahm man dazu einfach ein Taschenmesser.
Das Besondere an dieser Musik und dieser Art zu Spielen sei, so Dr. Slide in der Pause, dass die Gitarre die Melodie des Sängers aufnimmt. Als ob das Instrument weitersingen würde. Dr. Slide hat eine sehr tiefe und rauhe Stimme. Noch kratziger als die von Bruce Springsteen. Seine Lieder, ob ruhigere Balladen oder rockigere Stücke, transportieren ein inbrünstiges und melancholisches Lebensgefühl. Ist es das, was er in Amerika gesucht hat? Wenn er Musik macht, scheint er noch dort zu sein.
Im Café Rothenburg ist die Atmosphäre an diesem Abend familiär. „Axel!“, begrüßt ihn lauthals ein alter Jugendfreund. Einige alte Bekannte sind gekommen. Ein kleines Heimspiel also, denn Dr. Slide hat auf wesentlich größeren Bühnen, auf Festivals, alleine oder mit einer Band gespielt. Kenner der Szene warten sogar in Internetforen auf seinen nächsten Auftritt. Eigentlich hätte er auch heute Abend die volle Aufmerksamkeit des sich unterhaltenden Publikums verdient. Das scheint ihn jedoch nicht zu stören, Hauptsache das Publikum schreit auch mal ein bisschen mit. „Ich bin nicht eitel“, sagt Dr. Slide über sich. Früher hat er sich in Anzug und mit Glatze gezeigt. Heute ist er legerer gekleidet. Und er hat Haare und den Bart wachsen lassen, wegen der Kälte witzelt er.
Während Dr. Slide spielt, ruckt und zuckt die Gitarre, scheint von alleine in der Luft zu schweben. Er singt vom Leben, den Geistern der Vergangenheit und über die Liebe „If you love somebody that don’t love you, you ain’t gonna get no satisfaction no matter what you do.“ Zu diesen Zeilen im schönsten afroamerikanischen Slang, werden die Bilder im Kopf wieder lebendig. Und vielleicht erzählt Dr. Slide beim nächsten Mal, welche Lebensgeschichte sich hinter ihnen verbirgt. Undine Zimmer
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