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Kultur: Wie es zu erwarten war Horst Evers begeisterte im Nikolaisaal

Wer kennt sie nicht, diese obercoolen Schlauberger, die scheinbar von nichts überrascht werden können, weil sie alles immer schon vorher gewusst haben wollen. Ob Abhöraffäre, Pferdefleischskandal oder sonstige Spektakel – sobald Erstaunliches vermeldet wird, meint irgendwer sofort, er hätte es doch gleich gesagt und ja schon immer gewusst.

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Wer kennt sie nicht, diese obercoolen Schlauberger, die scheinbar von nichts überrascht werden können, weil sie alles immer schon vorher gewusst haben wollen. Ob Abhöraffäre, Pferdefleischskandal oder sonstige Spektakel – sobald Erstaunliches vermeldet wird, meint irgendwer sofort, er hätte es doch gleich gesagt und ja schon immer gewusst. Solche Hellseher, welche die Zukunft stets nur rückwirkend sehen können, kennt auch Horst Evers. Doch nicht nur von ihnen handelt sein aktuelles Bühnenprogramm „Hinterher hat man’s meist vorher gewusst“, das er am Freitagabend im ausverkauften Nikolaisaal präsentierte.

Mit seinen komisch kuriosen Geschichten, in denen er seine Beobachtungen aus dem Alltag verarbeitet, hat der im niedersächsischen Diepholz geborene Kabarettist und Autor längst Kultstatus erreicht. Auch auf der Bühne. Dabei tritt Evers, abgesehen von seinem typischen knallroten Cordhemd, beinahe bescheiden auf. Er reißt keine Zoten, hat Kalauer nicht nötig, verzichtet auf jedwede nervöse Clownerien und doch lacht der ganze Saal fast pausenlos. In einer ironisch naiven Art versteht es Evers höchst eloquent und allein mit feiner, gezielter Mimik und Gestik seine Texte zu beleben und in einer Mischung aus Lesung und Stand-up-Comedy vorzutragen. So witzelt er etwa ein Weilchen über die Steuersünden des Uli Hoeneß, von denen seine Freunde natürlich schon vorher gewusst haben wollen, liest dann eine lange Geschichte über ein streng riechendes Wurstpaket, welches ihm die Mutter seiner Ex-Freundin regelmäßig schickt, bevor er sich mühelos ins nächste Thema hineinplaudert und schließlich einen Text zum Besten gibt, der von einer alten, offenbar mit einem Fluch belegten Schultafel handelt, die er auf Ebay ersteigert hat. Mehrmals an diesem Abend teilt Evers auch gegen seine Wahlheimat Berlin aus. Für das Planungschaos rund um den Großflughafen BER zeigt er jedoch Verständnis. Es sei immer noch besser, andauernd die Eröffnung zu verschieben, als nach drei Wochen plötzlich festzustellen, dass beispielsweise das Dach vergessen wurde. Schon malt er sich, unter dem lautstarken Gelächter des Publikums, dieses Szenario aus und schlägt vor, ob der 85 000 festgestellten Mängel aus diesem Pleitenprojekt eine öffentliche Naherholungsbaustelle zu machen. Da sei doch sicher für jeden was dabei.

Immer wieder driftet Evers an diesem Abend im munteren Wechsel zwischen seinen Erzählungen und vorgelesenen Texten ins Skurrile, Absurde und teils Blödsinnige ab, was auch schwache Momente zur Folge hat. Über eine Katze etwa, die zum Katzenpsychologen soll, damit sie keine toten Mäuse mehr vor die Haustür legt, kann man am Ende einer ausufernden Episode nur noch schmunzeln. Erstaunlicherweise aber gelingt es Horst Evers jedes Mal, nachdem er vergnügt vom Hundertsten ins Tausendste gekommen ist, den Anfang wiederzufinden und seine Pointen zu landen. So auch bei der Geschichte über Cottbus, wo ein Mann sein beharrliches Stehen an einer grünen Ampel mit dem Satz begründet: „Was nützt dem Wolf die Freiheit, wenn er das Schaf nicht fressen darf.“ Etliche Abschweifungen und Wendungen später ist es schließlich Evers selber, der diese seltsamen Worte spricht.

Dass Horst Evers fast zweieinhalb Stunden lang sein Publikum bestens unterhält, war zu erwarten. Auch der Zugabenblock und die anschließende Signierstunde überraschen nicht. Freilich – das konnte man tatsächlich schon vorher wissen. Daniel Flügel

Daniel Flügel

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