Kultur: Wie im Leben
„Home 13“ im Waschhaus uraufgeführt
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Sie ist die Kraft, die anstößt, verändert, zusammenfügt. Das Spiel ihrer Rückenmuskeln ist ein wahres Wunder, ihre Haare sind wild gelockt und strahlen rotgolden, ihr Kostüm ist bronzefarben und reflektiert das Bühnenlicht.
Die Tänzerin Georgina Leo Melody ist eine von zehn Künstlerinnen und Künstlern, die am Donnerstagabend in der Waschhaus Arena das neue Stück der Potsdamer Oxymoron Dance Company zur Uraufführung bringen. Unter dem Titel „Home 13“ hat Choreografin Anja Kozik zusammen mit Ideengeberin Ellen Wölk und dem litauischen Komponisten und Musiker Gediminas Gelgotas eine Geschichte rund um die Themen von Vergangenheit und Zukunft entwickelt, die von Tänzerinnen der Company und Musikern des New Ideas & Chamber Orchestra gleichermaßen umgesetzt wird. Dirigent Gediminas Gelgotas, geboren 1986 in der litauischen Hauptstadt Vilnius und ein Überflieger unter den jungen litauischen Komponisten, teilt die Liebe Anja Koziks, mit der Kunst Grenzen zu überschreiten. So verbindet seine Musik Elemente der Klassik mit einem Minimalismus, den man eher aus der Elektronischen Musik kennt und kombiniert das Ganze mit Ausflügen in die Percussion.
In „Home 13“ führt er mit dieser vor allem im ersten, fast etwas zu lang geratenen Drittel des Stückes unglaublich langsam und sich stetig wiederholenden Komposition, umgesetzt von drei Violinen, einem Kontrabass und einem Cello, die Tänzer in ihrem Spiel. Die Bühne, ein angedeuteter Raum mit Fenster- und Türelementen, besteht außerdem aus von der Decke hängenden Trapezschaukeln, auf denen drei der Tänzer sitzen und erst einmal nur ihre eigenen Bewegungen erkunden, sich neu positionieren, sich irgendwann entdecken, spiegeln, die Trapeze schließlich verlassen.
Dann sind es nur die Männer, die sich in der Mitte des Raumes bewegen. Dabei hat jeder der drei seine eigene Körpersprache. Timo Draheim bleibt klassisch, macht weite weiche Bewegungen, rollt über den Boden. U-Gin Boateng kombiniert mehr mit Streetdance-Elementen, nutzt den eigenen Körper als Resonanzraum, trommelt mit Händen und Füßen. Und Prinz Ofori erkundet sich selbst, sieht auf seine Hände, seine Arme, schaut den eigenen Bewegungen zu. Die Männer öffnen sich einander, entdecken sich, versuchen eine gemeinsame Tanzsprache, sind dabei annähernd synchron. Und dann kommt das weibliche Element dazu. Die Frau, die alles aufbricht. Die Männer nähern sich ihr fast aggressiv, konkurrieren untereinander, werden sehr körperlich, getrieben von einer Musik, die jetzt viel schneller spielt und die Szenerie aufheizt. Bis sie kurzerhand alles einfriert.
Die Tänzerin zieht sich zurück, die Situation beruhigt sich und als sie schließlich erneut in den Kreis der Männer kommt, scheint etwas passiert, wirken die Annäherungen weicher, aufmerksamer, zurückhaltender. Wer das Programmheft zum Stück gelesen hat, weiß, dass Anja Kozik mit „Home 13“ vor allem die unbekannte Größe Zukunft auslotet. Und dass diese unberechenbar ist und immer neue Impulse gibt, auf die reagiert werden muss. Und so sind die Tänzer zwar gerade eine scheinbare Einheit, aber in Form von Musik trifft sie plötzlich ein neuer Reiz, der ein ganz anderes, neues Chaos auslöst und sie wieder getrennt über die Bühne hetzen lässt. Ganz wie im wirklichen Leben. Andrea Schneider
„Home 13“ wieder am heutigen Samstag, 20 Uhr, und morgigen Sonntag, 11 Uhr, im Waschhaus in der Schiffbauergasse
Andrea Schneider
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