zum Hauptinhalt

Kultur: Wie im Vaudeville

„Globians“ begann am Donnerstag im Alten Rathaus

Stand:

„Globians“ begann am Donnerstag im Alten Rathaus Trotz moderner Videoprojektion wehte bei der Eröffnung des Potsdamer Dokumentarfilmfestivals „Globians“ ein Hauch kinematographischer Urzeit durch das Alte Rathaus. Joachim Polzer, Veranstalter des Festivals und Mann des Abends, überzeugte sich vor der Tür vom Zustand des neu gepflasterten Bürgersteigs und sorgte persönlich dafür, dass die Zuschauer heil über die Baustelle Alter Markt kamen. Als sich die Gäste dann in den Veranstaltungssaal begaben, stand Polzer bereits am Einlass, riss Karten ab und wünschte einen schönen Abend. Sogleich spurtete er zum Mikrofon, um in der Funktion des Festivalmachers das Publikum willkommen zu heißen. Er konnte sich kurz fassen, denn es folgte die Drei-Stunden-Dokumentation „Thatta Kedona - The Toy Village of Pakistan“. Regie: Joachim Polzer. Doch nicht nur die Auswahl des Eröffnungsfilms war etwas anders als bei anderen Festivals. Dass zum Beispiel nur sehr wenige deutsche Beiträge eingereicht wurden, liegt nach Polzers Angaben an der subventionsverwöhnten hiesigen Festivalkultur: Deutsche Filmemacher hätten sich selbst durch einen relativ geringen Unkostenbeitrag von der Teilnahme abschrecken lassen. Umso mehr freute ihn, dass aus aller Welt Filmemacher auf eigene Kosten nach Potsdam gekommen sind. Die Anwesenheit von Regisseuren wie Kazutaka Tokoda aus Japan oder Cassim Shepard aus New York erinnerte an die zahlreichen internationalen Premieren, die noch auf dem Programm stehen und dem bislang eher familiär wirkende Festival eine mondäne Seite geben werden. Polzers Film indes kann seine opulente Länge nicht immer legitimieren, schweift allzu oft auf Nebenschauplätze ab. Insgesamt wird dennoch deutlich, dass seine exponierte Stellung im Programm als thematische Leitlinie dienen soll. Denn „Thatta Kedona“ zeigt „Globians“. Das Kunstwort bezeichnet Menschen, die vor oder hinter der Kamera Kulturgrenzen überschreiten. Hier sind diese in einem „Spielzeugdorf“ genannten Ort im pakistanischen Teil von Punjab aktiv. Unter ihnen ist die Potsdamerin Senta Siller, die ihren „Ruhestand“ dazu nutzt, Hilfe zur Selbsthilfe zu organisieren und Menschen in entlegenen Regionen zu zeigen, wie sie in der modernen Welt besser zu Recht kommen und zugleich sich ihrer kulturellen Wurzeln bewusst werden können. Die dekorativen Puppen, die mit Sillers Unterstützung in Pakistan hergestellt und inzwischen in alle Welt verkauft werden, bringen dringend nötiges Bargeld in die bislang von Tauschhandel geprägte Gegend. Polzer hat die steinige, jedoch erfreuliche Entwicklung des Projekts über Jahre hinweg dokumentiert. Der Tonfall, der deutschen Entwicklungshelfer ist dabei oft bedrückend unpersönlich, bisweilen sogar überheblich und besserwisserisch. Hinterfragt wird das „Thatta Kedona“-Projekt nicht. Auch bleibt der Film ebenso unpolitisch wie seine Protagonisten und passt sich so in das Profil des Festivals ein, das nicht als bloße Plattform für Globalisierungskritik verstanden werden will. Die pakistanische Seite in Polzers Film kommt kaum zu Wort. Darum geht es hier nicht. Es geht um Menschen die Spuren hinterlassen möchten, wobei sie selbst glücklicherweise keineswegs frei von Spuren bleiben. Das Festival findet bis morgen im Alten Rathaus statt. Vollständiges Programm unter www.globians.com.Moritz Reininghaus

Moritz Reininghaus

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })