Kultur: Wie Savitri den Schatten des Todes besiegt
Das tschechische Theater Divadlo Lisen mit einem indischen Märchen bei den KinderKulturTagen
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Das tschechische Theater Divadlo Lisen mit einem indischen Märchen bei den KinderKulturTagen Es war einmal - so beginnen Märchen und Geschichten überall auf der Welt. Das erleichtert es den Internationalen KinderKulturTagen, tatsächlich international zu sein, so wie gestern im T-Werk, als das tschechische Schattentheater Divadlo Lisen in deutscher Sprache das indische Märchen von der schönen Prinzessin Savitri erzählte. Auch das Ritual des Vortragens, der abgedunkelte Raum, das Leselicht, die Kinder im Kreis, scheint über Kulturgrenzen hinweg vereinbart. Die Schattenspieler aus Brno nutzen diese stille Übereinkunft für ihr Theater: Mit einer Leselampe, einem Petroleumlicht, „entzündet“ der Erzähler das Spiel hinter der Leinwand. Ein goldener Kranz umstrahlt die Silhouette der Prinzessin, so stark blendend jedoch, dass keiner der heranreitenden Prinzen es wagt, ihn zu durchbrechen und um die Hand Savitris anzuhalten. Da schickt der König seine Tochter hinaus in die Welt, sie möge sich selbst einen Mann wählen. Mit beruhigend tiefem Timbre spricht der Erzähler den schnörkellosen Märchentext, eine klare Sprache, konturiert und eindeutig wie die Schattenfiguren. Der Trickfilm-Hektik schneller Schnitte und rasender Bildabfolgen setzt das Theater Divadlo Lisen die Langsamkeit seiner mit Stäben bewegten Figuren entgegen. Die Reduktion auf nur wenige Gesten schafft viel Raum für das eigene Gedankenspiel, und die vom Erzähler erzeugten Klangillustrationen auf Flöte, Röhrenglocken und gezupften Saiten über einem blechernen Resonanzkörper bilden den Stimmungshintergrund, auf dem die Kinder ihre Empfindungen entfalten können. Friedvolle Melodien begleiten Savitri hinaus in die Natur, wo sie den Einsiedler Satiavan trifft, der mit seinem Vater, einem entrechteten König, in Armut lebt. Irdische Reichtümer sind vergänglich, weiß die Prinzessin. Auch die Prophezeiung eines Wahrsagers, Satiavan bleibe nur eine Daseinsfrist von einem Jahr und einem Tag, hält sie nicht zurück. Sie liebt Satiavan, heiratet ihn und teilt sein ärmliches Leben in der Einsiedelei. Ein stilles Glück. Doch bedrohlicher wird die Stimmung, je tiefer sich das Jahr dem Ende zuneigt. Zur vorhergesagten Stunde erscheint als dunkelroter Schatten mit bleichem Gesicht der Fürst des Todes, um die Seele des Satiavan zu fesseln und mit sich zu nehmen. Das Licht wird greller, die Töne schriller, die Figuren verlieren ihre Bodenhaftung. Savitri fliegt dem enteilenden Tod hinterher, lässt nicht los und nicht locker, will Satiavan zurückholen oder für immer mit ihm gehen. Das Publikum folgt ihr, bleibt an ihrer Seite, bis der Kampf entschieden ist, die Liebe über den Tod gesiegt hat. Jedes Kind weiß, dass ein Märchen immer gut ausgeht, auch in Indien, auch in Tschechien. Die große Kunst des Erzählens aber besteht darin, für Momente den Atem anzuhalten, alle Möglichkeiten offen zu halten, damit sich das Wohlgefühl der Erleichterung umso tiefer ausbreiten kann. Dem jungen Ensemble aus Brno ist dies gelungen. Nochmals heute um 10 Uhr im T-Werk, Schiffbauergasse
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