Kultur: Wie Schrot und Korn
Bei den Potsdamer Hofkonzerten Sanssouci zu Gast: der Grazer Kabarettist Werner Schneyder
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Bei den Potsdamer Hofkonzerten Sanssouci zu Gast: der Grazer Kabarettist Werner Schneyder Der Grazer Kabarettist Werner Schneyder mit Wohnsitz in Wien und in Kärnten ist ein später Aufklärer. Er hat weder die Deutsche Demokratische Republik vergessen noch die Worte Kapitalismus, Sozialismus und Klassenkampf, welchen er prophetischen Blicks bald in der Dritten Welt toben sieht. Alte Schule eben. Entsprechend ordnet sich ihm die Welt in Rechts und Links. Rechts ist, wo man den (demokratisch gewählten und inzwischen politisch abgetauchten) Jörg Haider findet, links die Sozialdemokratie. Ihr gibt er, falls durch seinen Ratschlag geläutert, sogar Zukunfts-Chancen, einer muss ja schließlich regieren. Aufklärung aber meint, dass Klugheit die Welt regieren sollte, ist sie erst klug, sei sie auch gut. Dazu braucht es gescheiter Leute, wie Werner Schneyder aus Graz. Würden alle denken wie er, wären auch die Sozis andere, denen er bei seinem Solo-Auftritt im Schlosstheater am Samstag den ausführlichen Eingangspart widmete. Die Fernsehlandschaft wäre eine gescheitere, das Privatsender-geschädigte Publikum und auch die Jugend weniger dumm, das plumpe Feuilleton in Sachen Kultur und Theater plötzlich gebildet, die Gaumenspezialisten („Rülpsen der Sprache“) würden so schreiben wie Gourmet-Köche kochen, und er selbst, die Abschiedsnummer seines 90-Minuten-Solo, könnte sich dann sogar mit dem lieben Gott arrangieren. Aber hört die Welt auf den so schreib- wie wortgewandten Austrier, weil er sich in der Nationalökonomie so auszukennen scheint wie beim Boxen (kam nur marginal vor), sich Dieter Hildebrands Freund nennt und doch scheinbar jedermanns Feind ist, Zyniker und Haudrauf in einem - was erwartet er, „Intellektuelle die wir nun einmal sind“, von einem noblen „Schlosskonzert“ à la Barbara Heidenreich und einem ihm fremden Publikum, welches man getrost ein bürgerliches nennen kann, in Potsdam? Der gelernte Journalist, Autor, Theatermann, von vielen Bühnen und aus dem Fernsehen bekannt, hat ein dickes Buch geschrieben. In Anlehnung an keinen Geringeren als Heinrich Böll nannte er es „Ansichten eines Solisten“, was den Wunsch-Clown verleugnet und zugleich benennt: Jemand lobte ihn gar als „Österreichs berühmtesten Meinungsträger“, das lässt weit blicken. Vielleicht nimmt er Satire ernster als andere: Wo sie spotten, da wetzt er die Klinge, bis kein Haar mehr ungespalten bleibt, ein echter Mann aus Schrot und Korn. Doch Klugheit und Weisheit sind zweierlei Dinge, Leute des Schwertes werden nur selten geliebt - Szenenapplaus blieb die Ausnahme. Man hatte im vollbesetzten Schlosstheater sehr bald das Gefühl, alle würden alles falsch machen, weltweit, nur Werner Schneyder, bissig, nicht. Klugscheißerei, nach seinen eigenen Thesen zum Feuilleton, im steten „Wir“-Gefühl? Wofür tritt er ein, was will er selbst? Antwort auf diese dräuenden Fragen hätten vielleicht die angekündigten Parts aus dem Abschnitt „Kulturmenschen“ geben können, oder, in eigener Sache, die Meinung des Schreibers zum Sport. Aber das blieb ob des überlangen Anfangstextes zur SPD leider fort. Was hatte er nun dem „bürgerlichen“ Potsdam, dem Herzen Preußens, ganz speziell zu sagen? Zusammengeschneydert Von einer Pause getrennt, zerfiel dieser Abend, etwas zusammengeschneydert, in zwei Teile. Anfangs las er aus seinen einsamen „Ansichten“, später flatterten zerstreute Glossen, einsätzige Bonmots, gut gereimte Lieder und pfiffige Kabarett-Szenen durchs königliche Schloss. „Shakespeares Königsdramen“ und der Text vom „Heer“ waren vielleicht das Beste in einem eher offenen Konzept, um es freundlich zu sagen. Doch könnte es auch sein, dass er seinen Auftritt mit dem peinlichen „Abschied von Gott“selbst vermasselte: Oft war der Beifall nicht, und selten nur stark. Klar kann man Arbeitslose in die Wälder schicken, auf dass sie den armen Bäumen das Gift wegatmen, Blut und Hirne spritzen lassen, damit ein TV-Thriller auch „echt“ wirkt, um dem Sender dann „Anstiftung zum gemeinschaftlichen Mord“ vorzuwerfen. Man kann, wider die lästige Theaterkritik, Polgar zitieren, und wäre mit Kerr doch allemal besser beraten gewesen. Einen Satz wie, ungefähr, „Der Kapitalismus plündert die Dritte Welt aus, der Sozialismus plünderte sich selbst“ hört man, lächelt, und schon ist er vergessen. Kurz, der Unterhaltungswert dieses Mannes, das hört er sicher gern, war so doll nicht. Solchem Ernst fehlt es einfach an Weisheit. Zu schrotig, zu körnig. Mit der Konzertagentur Barbara Heidenreich hat das weniger zu tun, sie bemüht sich im langerfahrenen Management, gute Leute heranzuholen, fürs „Hofkonzert“. Aber man denkt eben, wie man so denkt, jeder für sich, solistisch, und andere sehen''s halt anders. Gerold Paul
Gerold Paul
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