Kultur: „Wie seid ihr denn drauf?“
Die Wühlmäuse präsentieren im Nikolaisaal den Comedian Ralf Schmitz
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Po, Potsdam, Poppen - so könnte die angeschmuddelte Kurzfassung des Soloprogramms von Ralf Schmitz lauten, der von dem Berliner Kabarett „Die Wühlmäuse“ am Sonntag und Montag in den ausverkauften Nikolaisaal gesandt wurde. Bei Schmitz, bekannt aus TV-Comedy-Formaten wie „Die Dreisten Drei“, „Genial daneben“ oder „Schillerstraße“ und Kinoproduktionen wie „7 Zwerge“, scheinen fast alle Pointen dort zusammen zu laufen, wo zwei Schenkel enden.
Doch ist er nicht alleine für dieses niederschwellige Niveau verantwortlich. Schmitz steht in der aufgepeppten Tradition dessen, was man vor dem Comedy-Boom Mitmachtheater oder Improvisationstheater genannt hat. Ralf Schmitz nimmt, was die Doreens, Wolfgangs oder Tinas im Saal ihm vorgeben und verwandelt das mit der Energie eines Kindes mit akutem Aufmerksamkeitsdefizit, dem drei Wochen seine Retalin-Dosis verweigert wurde, in geistig ziemlich flach gebackene, aber beim Publikum zündende Gags.
Die Grundsituation, in die Schmitz die 700 Zuschauer mitnimmt, stammt aus der Lebenswelt der Mittelschicht. Das Kaufhaus. Auf der einen Seite der Bühne steht ein Regal gefüllt mit Spielwaren, Ernie aus der Sesamstraße, Euopaspiel und Puh, der Bär. Auf der anderen ist ein mannshoher Bildschirm aufgebaut. Soll sagen: Schmitz agiert auf dem von um sich greifender Infantilisierung und medialer Fernsehmacht abgesteckten Terrain. Er ist ein interaktiver Comedian, der seine Autorität als prominenter Fernsehstar nutzt, um die sonst passiven Zuschauer zu ihm auf die Bühne zu zwingen.
Ralf Schmitz kennt die Reaktion der ersten Reihe und macht sich sofort darüber lustig. Nackte Panik, Nägelkauen, gedankenverlorenes Zur-Decke-Schauen. Es trifft zunächst Doreen und Christian. Sie sollen sich aus dem Saal zwei Worte geben lassen. Gesucht wird ein Gegenstand, der in einem Sketch später umgetauscht werden soll. Ralf Schmitz bedient sich jener Mechanismen, die einsetzen, sobald mehr als vier Deutsche nach Feierabend beieinander sind, nicht nur in Potsdam. „Schön“ und „Fernseher“ dringt es auf die Bühne. Dass Christian „Fehrnseher“ in die mit dem großen Bildschirm verbundene Tastatur tippt, liegt natürlich nur an seiner Nervosität. Die Stimmung im Saal ist grenzenlos gut. „Schadenfreude“ ruft jemand hinein, als Schmitz eine Liste „positiver Gefühle“ zusammenstellt. Das passt.
Für ein weiteres Spiel sucht Schmitz nun Hobbys. Lange muss er nicht warten, bis das Wort „Poppen“ gerufen wird. „Hey, hey, wie seid ihr denn drauf?“ Schmitz heizt professionell den aufkeimenden Pennälerhumor an. „Klar, Potsdam und Poppen, fängt beides mit Po an!“
Die folgende Synchronisation von tonlosen Überwachungsfilmchen braucht unter diesen Umständen nicht besonders ausgearbeitet zu sein. Es reicht, die zotigen Schlüsselworte zu nennen, damit der ganze Saal giggelt.
Ralf Schmitz hat aber auch Elemente in seinem Zwei-Stunden-Programm, die eher im klassischen Kabarett beheimatet sind. Sein Ken, trauriger weil geschlechtsloser Freund der Barbie-Puppe, wünscht sich in dem einzigen Lied des Abends zwar noch ein „Bauteil wie Godzilla“ mit dem er es Disneys „Arielle“ besorgen könne. Bei seiner Parodie auf eine Fahrgemeinschaft mit Rudi Carrell am Steuer, Inge Meysel, Udo Lindenberg und einem völlig ausgehungerten Rainer Calmund („Weißt du, was zehn Minuten ohne Essen für mich bedeuten? Eine Hungersnot!“) sind Tempo und Timing aber auf hohem Niveau.
Im Privatfernsehen käme Werbung, in Schmitz Show geht kurz nach dem Witz immer das Licht aus. Dann weiß man, das Schluss ist. Manche Überleitungen sind gar nicht so elegant, wie man es von einem TV-Profi erwartet. Wieso Schmitz wiederholt über die liederlichen Eigenschaften von Katzen räsoniert, obwohl er doch im Kaufhaus zu stehen glaubt, macht nicht wirklich Sinn: „Hunde haben Herrchen, Katzen Personal“. Die Leute nehmen es als Erholungspause vor der dräuenden Anspannung, wer als nächster auf die Bühne gezogen wird.
Irgendwann kommt natürlich auch eine Hitler-Parodie. Auch die im Spannungsfeld zwischen Kinderkram und TV-Kultur. Es geht um so genannte „Outtakes“, überflüssige Szenen, die bei DVDs häufig als zusätzliches Bonusmaterial mitgeliefert werden. Schmitz Führer-Figur schnarrt „Fitze, Fatze, Futze“, wenn die Kamera aus ist und ereifert sich über „echten deutschen Schokoladenpudding“.
Zum Glück steht Ralf Schmitz bei dieser Nummer alleine auf der Bühne. Wer weiß, ob sie andernfalls noch so harmlos daher gekommen wäre.
Matthias Hassenpflug
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