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Kultur: Wie traumverlorene Erinnerungen

Mit Bratsche und Oboe Kammermusik im Foyer

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Wie gut der Klang von Bratsche und Oboe zusammen passt, konnte am Sonntag bei der musikalischen Soiree der Kammerakademie Potsdam im Foyer des Nikolaisaals gehört werden. Jenny Anschel, Viola, und Jan Böttcher, Oboe, präsentierten ein erlesenes Programm kammermusikalischer Kostbarkeiten, wie man sie nicht alle Tage zu hören bekommt.

Mit der Sonate für Oboe und Klavier von Francis Poulenc eröffnete Jan Böttcher das Konzert auf eindringliche Weise. Dabei erwies sich die kurzfristige Umstellung als Glücksfall. Denn der langjährige Oboist der Kammerakademie, welcher schnell für die erkrankte Cellistin Ulrike Hofmann eingesprungen war, zeigte sich den nicht geringen Anforderungen in jedem Moment gewachsen. Sein in jeder Lautstärke klarer, leicht statischer Ton passt hervorragend zu diesem Spätwerk des französischen Neo-Klassizisten. Er verleiht den beiden Ecksätzen einen kongenialen Ausdruck von quasi sachlicher Trauer und Klage, ohne Gefühlsduselei. Rasant und klangstark bis in tiefste Lagen erklingt das Scherzo, das am stärksten an den Widmungsträger Sergej Prokofjew gemahnt.

Der gefeierte Geiger, Komponist und Dirigent Joseph Joachim wurde als Jugendlicher von Felix Mendelssohn unterstützt, später von Franz Liszt und Johannes Brahms gefördert. Sein einziges Werk für die Bratsche sind die „Hebräischen Melodien“, die nach Gedichten von Lord Byron komponiert wurden. Jenny Anschel, Stimmführerin der Bratschengruppe in der Kammerakademie, gestaltet das Werk subtil und intim. Mit verhangenem Klang, wenig Vibrato und gedrosselter Dynamik erklingen die drei Sätze wie traumverlorene Erinnerungen aus weiter Ferne. Die herbe, bisweilen harte Klavierbegleitung von Cristina Marton harmoniert nicht unbedingt damit, leider auch nicht in der Sonate für Arpeggione von Franz Schubert.

Das zu Haydns und sogar noch Schuberts Zeiten gebräuchliche Arpeggione wird heute nicht mehr gespielt, doch die Qualität des Werks rief Fassungen für Viola und auch für Cello hervor. Freundliche, unterhaltsame, heitere Töne werden im ersten und letzten Satz angeschlagen, wo gesangliche Melodik und wienerisch-tänzerisches Kolorit Hand in Hand gehen. Im Adagio leuchtet eine lyrische Kantilene auf, die erstaunlicherweise eher schlank, beinahe unterkühlt auf der Viola erklingt. Erst beim Duett mit der Oboe in den Schilfliedern von August Klughardt scheint die Viola eine gewisse Befangenheit abzulegen. Bei diesen wenig bekannten musikalischen Charakterstücken nach Gedichten von Franz Lenau entstehen in Verbindung von Oboe und Viola exquisite, weitreichende Klangfelder. Hier wie auch in der Sonate von Francis Poulenc erwies sich Li-Chun Su als empfindsame Klavier-Begleiterin. Mit seinem eleganten, ausdruckvollen Spiel bewies das Trio, dass den erlesenen Stimmungsbildern von August Klughardt ein Ehrenplatz in der Kammermusik des 19. Jahrhunderts gebührt. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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