Kultur: Wien, Wien, nur du allein
Finale für diesjährige „Klassik am Sonntag“-Saison
Stand:
Wiener Charme und Schmäh, man weiß es längst, liegen dicht beieinander. In den Menschen genauso wie in der Musik. Letztere vermittelt ein besonderes, weil unverwechselbares Lebensgefühl: wirbelnd und sentimental. In diesen Hexenkessel der musikalischen Vielfalt, wie er sich um die Wende des 19./20. Jahrhunderts in Wien präsentierte, entführte das letzte Konzert der diesjährigen „Klassik am Sonntag“-Saison des Nikolaisaals. Witwen, Knaben und Wunderhörner waren aufgeboten, um die Kontraste aufeinander prallen zu lassen. Eine überzeugende Programmdramaturgie, bei der zusammenpasste, was geistig-zeitlich zusammengehörte. Wien, Wien, nur du allein
Bereits die durch das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt unter Israel Yinon klanglich genau auf den Punkt gebrachte „Fledermaus“-Ouvertüre von Johann Strauß (Sohn) erfüllte ihre Aufgabe als „Türöffner“ in ein nicht gerade leicht zu konsumierendes Angebot vorzüglich. Mit Verve stürzte man sich in den genusssüchtigen Lebenstaumel, mit Wollust badete man im Sentiment. Das innerliche Mittanzen, Schweben und Schwingen im Dreivierteltakt sorgte für Furore. Zumal der Dirigent kein g“schlampertes Musizieren zuließ, wodurch die Begleitung von Liedern aus „Des Knaben Wunderhorn“-Sammlung von Gustav Mahler zu einer packenden Angelegenheit wurde.
Als ein intelligenter Liedgestalter erwies sich dabei Bariton Michael Nagy (Komische Oper Berlin), der mit seiner intensiven Textausdeutung und souveränen Musikalität mehr als nur aufhorchen ließ. Seine markante Stimmfarbe verlieh „Des Antonius von Padua Fischpredigt“ einen überzeugenden Schuss Ironie, während das „Rheinlegendchen“ ausgeglichen und lyrisch sich verströmen konnte. Wie er singend eine Geschichte erzählt, darin das Unterschwellige und Doppelbödige entdeckt und spannend auszudrücken versteht, bewies er in gespenstig-grausigen Soldatenliedern. Wild auffahrend, mit nachgerade operndramatischer Impulsivität sang er „Der Schildwache Nachtlied“, „Der Tamboursg“sell“ (dessen Hinrichtungsgang zum Galgen vom Orchester eindringlich begleitet wurde) und „Revelge“. Wenn Moderator Clemens Goldberg, der wie stets informativ und locker plaudernd dem Programm den roten Faden knüpfte, von der Desillusionierung der Soldatenromantik erzählte, so war der Sänger der haarscharf kommentierende Mahler-Anwalt.
Nicht minder versiert im Liedmetier zeigte sich Ensemblekollegin Mojca Erdmann beim Vortrag der hochstilisierten „Sieben frühen Lieder“ von Alban Berg (1885-1935). Die verschiedenen Facetten des Liebeszyklus“ deutete sie sopranlyrisch leuchtend und sich verströmend aus. Nirgendwo die Spur einer stimmerotikfreien Zone. Der Lust an der Weanerischen Musik spürte das Orchester auch in Auszügen aus der Lehar-Operette „Die lustige Witwe“ nach. Herrlich, wie Nagy als berückender Stimmcharmeur das Jungenhafte und Schüchterne des Danilo gestaltet und um die Gunst der gefühlsbereiten (Erdmann-)Witwe wirbt. Riesenbeifall.Peter Buske
Peter Buske
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